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Freitag, 19.04.2024
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Auf dem BDU-Beratertag in München ist es eines der großen Themen: Wo können Unternehmensberater neue Kunden finden? Die großen Consultants setzen unter anderem auf die öffentliche Hand – ein Geschäft, das auch schnell ins Auge gehen kann. Michel Golibrzuch hat einen bösen Verdacht: „Das waren Gefälligkeitsgutachten“, kritisiert der Abgeordnete der Grünen im niedersächsischen Landtag. Der Finanzexperte fordert detailliertere Auskunft über Gutachten, die von der Münchener Beratung Roland Berger Strategy Consultants im Auftrag der Regierung in Hannover erstellt wurden. nimmt kein Blatt vor den Mund: „Die Landesregierung muss die Hosen runter lassen“, sagt Golibrzuch.

Vor allem das breite Themenspektrum stört ihn: Fischfang, Ortskrankenkassen, Haushaltspolitik, Computerausstattung, Weltausstellung Expo, Luftfahrt, ein Klinikprojekt und der Tiefwasserhafen von Wilhelmshaven. Kann eine Beratung in all diesen Feldern kompetent sein? Zumindest kassierte Berger für die Arbeitkassierten die Berater in den vergangenen acht Jahren mindestens 6,2 Millionen Euro.

Unternehmensberater haben’s schwer – denn Dienstleister bekommen Wirtschaftskrisen am stärksten zu spüren. Das Geschäft mit ihren Stammkunden aus der Privatwirtschaft ist dürr: Telekommunikationsunternehmen, Technologiekonzerne, Medienhäuser und Finanzdienstleisterzu. Sie, in den vergangenen Jahren die spendabelsten Auftraggebern der Consultants, stecken bis zum Hals in der Krise und müssen sparen.

Vater Staat wird besonders umworben

Doch auch in anderen Branchen ist kaum noch Geld da für beratungsintensive Projekte, allen voran die Vision vom E-Business. Allen Behauptungen bekannter Top-Consultants zum Trotz: Schmalhans ist Küchenmeister, heimlich wird in großen Mengen Personal abgebaut, öffentlich wird das eher selten – man gibt sich verschwiegen.

Die Suche nach neuen Einkommensquellen war auch eines der beherrschenden Themen auf dem BDU-Beratertag, der am Freitag in München seinen Abschluss fand. Alle, auch die Chefs jener Häuser mit den klingenden Namen, sehen sich nach neuen Einkommensquellen um. Ein möglicher neuer Kunde wird derzeit besonders heftig umworben: Vater Staat.

Das war früher anders. Bei den Ausschreibungen der öffentlichen Hand gaben nur die kleinen, weitgehend unbekannten Consultingfirmen Angebote ab. Die Global Player der Branche aber rümpften die Nase: Die Honorare seien zu niedrig, die Vergabeverfahren dauerten zu lange und die Arbeit werde allzu oft durch den Amtsschimmel behindert, hieß es.

Abstriche bei Honorare unvermeidbar

Beispiel Nordrhein-Westfalen: Bereits seit 1989 durchleuchten Berater im Auftrag der Landesregierung sämtliche Verwaltungsstrukturen, um Einsparmöglichkeiten ausfindig zu machen. Bei der prestigeträchtigen ersten Ausschreibung hätten sich die großen Consultingfirmen noch beteiligt, sagt Rolf Krähmer, Leiter der Abteilung Verwaltungsmodernisierung im Düsseldorfer Finanzministerium. Beim Bieterwettstreit um die folgenden 80 Einzelaufträge aber seien nur noch die Kleinen angetreten.

Ein Grund: Verwaltungen akzeptieren nicht die hohen jene horrenden Honorarforderungenakzeptiert, die von den, die Topberatern von Unternehmen der Privatwirtschaft gefordert kassieren: werden: „Wir bezahlen nicht für den Namen einer Consultingfirma“, sagt Krähmer. Den Zuschlag erhalte stets der, der das günstigste Angebot abgebe.

Das soll nicht heißen, dass es immer die billigste Offerte sein muss. Dennoch liegen die Honorare weit unter dem oft genannten Spitzenwert von 5 000 Euro, den erfahrene Consultants angeblich pro Tag kassieren.

Krähmer hat sich die Arbeit gemacht und die von der Düsseldorfer Landesregierung gezahlten Honorare auf die geleisteten Manntage umgerechnet. Dabei kam er auf Tagessätze, die zwischen 1 250 und 2 000 Euro liegen.

Die Zeiten ändern sich

Kein Wunder, dass sich McKinsey und andere da vornehm zurückhielten. Selbst Roland Berger, deren Chef und Namensgeber über exzellente Beziehungen zu den Spitzen von Politik und Verwaltung verfügt und schon mal den einen oder anderen besser dotierten Auftrag erhascht, machte bislang lediglich sechs Prozent seines Umsatzes mit Aufträgen der öffentlichen Hand.

Jetzt aber scheint sich das zu ändern. „Seit kurzem registrieren wir ein Interesse der großen Firmen“, freut sich Krähmer. So sitzt etwa Axel Born, Mitglied des obersten Führungsgremiums von McKinsey, in der NRW-Regierungskommission „Zukunft des öffentlichen Dienstes“.

Und nicht nur in Düsseldorf zeigen die Großen der Consultants Flagge. Auch bei der Reform der Bundesanstalt für Arbeit wollen sie mitmischen. So waren Berger und McKinsey mit ihren Emissären Jobst Fiedler und Peter Kraljic in der Hartz-Kommission vertreten, also in jenem Gremium, das die Vorschläge zur Reform der Nürnberger Behörde ausgearbeitet hat.

Vorarbeiten für mögliche Millionenaufträge

Dabei ist dürfte nicht so sehr das Mitmachen in einer Kommission die Berater reizen: Diese Arbeit ist eher ein lästiges Übel, und die Consultants erhalten hierfür allenfalls ein Taschengeld. Der Grund für ihr Engagement ist ein anderer:Es geht um die Umsetzung der Kommissionsvorschläge. „Hier winken Aufträge in Millionenhöhe“ sagt René Perillieux, Leiter Public Sector Consulting beiBeratungsfirma Booz Allen Hamilton in Düsseldorf. „Arbeit für die nächsten zwei bis drei Jahre“, schätzt der Consultant. Um diesen Auftrag werden sich allerdings auch alle anderen Topberater bewerben, ist er sicher.

Immer mehr weltweit agierende Beratungsunternehmen setzen auf Vater Staat. Beispiel Booz Allen Hamilton: Vor vier Jahren erzielte die Firma in Deutschland mit Aufträgen aus dem öffentlichen Sektor lediglich rund vier Millionen Euro Umsatz – Seitdem hat sich dieses Geschäft verzehnfacht.

„Heute kommen etwa zwanzig Prozent unseres Umsatzes aus Public Sector Consulting“, sagt Perillieux. Ziel sei es, diesen Anteil auf ein ähnliches Niveau zu heben wie in den Vereinigten Staaten: „Dort machen wir fast die Hälfte unseres Umsatzes mit Aufträgen der öffentlichen Hand.“

Kräftig rühren die Consultants die Werbetrommel. Die Schlagworte „schlanker Staat“ und „E-Government“ gehen ihnen locker über die Lippen. Bei ersterem geht es um den Abbau von Personal, bei letzterem um bessere Information der Bürger und um mehr Service – und zwar per Internet. Hiervon schwärmen die Berater fast genau so wie noch vor kurzem von „Lean Management“ und „E-Business“.

Auch um weitere, konkrete Empfehlungen sind die Consultants nicht verlegen. Im Handelsblatt etwa forderte Roland Berger unlängst „schlagkräftigere Entscheidungsstrukturen“ in der Bundesregierung. Acht Ministerien seien völlig ausreichend, sagt der Münchener Consultant. Sechs könnten glatt gestrichen werden. Eine solche „radikale Verschlankung und Modernisierung“ wäre ein „beherztes Reformsignal der Regierung Schröder“, urteilt Berger.

Der Consultant müsste sich gar nicht so ins Zeug legen. Angesichts schwindsüchtiger Kassen hoffen alle Politiker und Beamte zwischen Rhein und Oder auf ähnliche Effekte wie in Düsseldorf: „Die Berater haben in unserer Landesverwaltung ein Potenzial von etwa 20 000 so genannten Kw-Stellen aufgedeckt“, sagt Krähmer. Über 11 000 dieser Stellen mit dem Kann-Wegfallen-Kürzel seien bereits abgebaut worden.

Das Land spare dadurch grob gerechnet eine halbe Milliarde Euro jährlich. Dieser Summe stehen relativ niedrige Einmalkosten gegenüber: die Beraterhonorare von 50 Millionen Euro und 380 Millionen Euro für den Kauf von Computern nebst Software und Schulung.

Die Rechnung der Consultants geht nicht immer auf

Die Rechnung der Sparkommissare geht jedoch nicht immer auf. So hat die Regierung von Baden-Württemberg auf Anraten einer Consultingfirma ein Drittel von 2 500 Stellen in den vier Regierungspräsidien des Landes gestrichen. Seitdem türmen sich bei diesen Mittelbehörden Berge unerledigter Arbeit. Beim Regierungspräsidium Stuttgart bleiben Widerspruchsverfahren im Ausländer- und Baurecht unbearbeitet. In Karlsruhe sind die Beamten mit der Bearbeitung von Wohngeldsachen ebenso im Rückstand.

Die Gefahr: Bleiben die Dinge zu lange unerledigt, können die Betroffenen vors Verwaltungsgericht ziehen – und dann wird es für den Staat weit teurer, als wenn die Probleme direkt ausgeräumt worden wären. Und es wäre nicht das erste Mal, dass Berater so etwas nicht einkalkuliert hätten.

Nicht nur Sparprojekte stoßen auf Kritik. Auch wenn die Consultants Investitionen befürworten, geraten sie schnell unter Beschuss.

So zum Beispiel bei einem Gutachten in Niedersachsen, das ein Berger-Team über den Landesetat erstellt hatte.erregt den Zorn der Opposition: „Die Berater haben die meiste Zeit dafür gebraucht, sich überhaupt erst einmal kundig zu machen“, schimpft der CDU-Abgeordnete Heinz Rolfes. Hinzu kommt: Ein großer Teil der Aufträge an Berger sei ohne ordentliche Ausschreibung vergeben worden. Jetzt ermittelt der Rechnungshof.

Wenn Unternehmensberatungen an leicht verdientes Geld bei Verwaltungen glauben, könnten sie sich getäuscht haben: Wer für die öffentliche Hand arbeitet, steht auch im öffentlichen Interesse – und das dürfte eine neue Erfahrung für die Consultants sein.

Quelle: Handelsblatt

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