Dabei war klar, wohin die Reise geht. Ein Start zum vorgesehenen Zeitpunkt hätte im Chaos geendet: viel zu wenig Erfassungsgeräte für die Lkw, Schlangen vor den Buchungsautomaten an Grenzübergängen und Tankstellen, völlig überforderte ausländische Fahrer. Wären solche Bilder im Fernsehen gezeigt worden - das war Stolpe klar - hätte er unmöglich Strafen von bis zu 20.000 Euro für Mautpreller verhängen können. Vor Tagen schon sagte er vorsorglich: "Gewiss wird es am Anfang mehr Ermahnungen als Strafen geben."
Peinliches Desaster
Dass die Maut jetzt erst zwei Monate später kassiert wird, ist für Stolpe in mehrfacher Hinsicht ein Desaster. Er verliert Einnahmen von mehr als 250 Mio. Euro und seine Glaubwürdigkeit. Die Zweifel an seinen Managementfähigkeiten wachsen.
Dass die Frist bis zum Maut-Start zu knapp gesetzt wurde, hat zwar nicht Stolpe zu verantworten, sondern sein Vorgänger Kurt Bodewig. Viel zu lange aber glaubte Stolpe den Beteuerungen der Industrie und seiner Fachleute, es werde schon alles gut gehen - dabei sagten Praktiker seit Monaten das Gegenteil.
Umso peinlicher ist der Fehlschlag, als Stolpe in seinem neuen Amt noch keinen Erfolg vorzuweisen hat - im Gegenteil. Er setzte sich zwar vehement für den Transrapid ein, doch die Strecke von Dortmund nach Düsseldorf wurde erst kürzlich vom Bundeskanzler und von der Koalition in Nordrhein-Westfalen beerdigt. Als es um die Verkehrsinvestitionen im Bundeshaushalt ging, ließ er sich von Kassenwart Hans Eichel über den Tisch ziehen.
Stolpe ist eine Notlösung
In den Augen von Stolpes Kritikern bestätigt sich, dass der 68-Jährige für sein Amt nur eine Notlösung war, nachdem der Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee abgesagt hatte. Stolpe galt allein schon deshalb nicht als Idealbesetzung, weil er zuvor als brandenburgischer Ministerpräsident mit Großprojekten wie dem Lausitzring und der Luftschiff-Firma Cargolifter keine glückliche Hand bewies.
Stolpes Wirken in Potsdam wurde auch durch die jahrelangen Vorwürfe überschattet, der Jurist sei zur DDR-Zeit als Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirchensynode Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit gewesen. Stolpe hatte das stets bestritten.
Quelle: Financial Times Deutschland