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Thursday, 28.03.2024
eGovernment Forschung seit 2001 | eGovernment Research since 2001
Kostenreduktion entlang des Beschaffungsprozesses ist das Ziel von E-Procurement-Lösungen, wie sie die Bundesregierung auch für die Öffentliche Verwaltung im Ramen ihrer E-Government-Initiative verbindlich machen will. Einige Projekte zeigen bereits, wo es langgehen könnte. Die Zeit drängt. Im September 2000 hat der Bundeskanzler mit der E-Government-Initiative "Bund Online 2005" die Bundesverwaltung verpflichtet, alle Internet-fähigen Dienstleistungen bis zum Jahr 2005 online bereitzustellen. Nicht nur deshalb steht das Thema "E-Government" bei Bund, Ländern und Kommunen ganz oben auf der Tagesordnung.

Bereits im Juli 2000 wurden alle EU-Mitgliedsstaaten durch die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr verpflichtet, bis zum 17. Januar 2002 die Voraussetzungen für die elektronische Vergabe von Angeboten zu schaffen. Bis dahin sind alle nationalen Rechtsvorschriften zu ändern, die eine Verwendung elektronisch geschlossener Verträge behindern.

Zurzeit laufen in Deutschland etwa 45 Pilotprojekte rund um dieses Thema. Die Schwerpunkte der einzelnen Projekte sind äußerst unterschiedlich und reichen von der Einführung der digitalen Signatur bis zur Geschäftsprozessoptimierung.

Trotz dieser Vielfalt zeichnet sich bereits heute ab, dass die entscheidenden Einsparungspotenziale - prognostiziert sind bis zu 25 Milliarden Euro - nicht aus externen Faktoren wie der Senkung der Einkaufspreise resultieren werden. Diese Erfahrung deckt sich mit denen der Industrie.

Kalkulierbar wird der Wert elektronischer Einkaufs- und Vergabeplattformen durch nachweisbare Kostenreduktionen im Beschaffungsprozess. Allein die mit der Einführung netzbasierender Beschaffungssysteme einhergehende Verschlankung der Geschäftsprozesse und die Senkung der Bearbeitungsdauer reduziert die Kosten pro Beschaffungsvorgang in beeindruckendem Maße. Experten gehen bei der Bearbeitungsdauer von einem Einsparungspotenzial zwischen 40 und 75 Prozent aus.

Dass solche Größenordnungen durchaus realistisch sind, wurde bereits in der Industrie eindrucksvoll bewiesen. So nutzte Daimler-Chrysler die gemeinsam mit Ford und General Motors betriebene Einkaufsplattform Covisint, um die Aufträge für den Rohbau der neuen M-Klasse zu versteigern.

Ein Beispiel für die Umsetzung eines ergebnisorientierten E-Procurement-Projekts findet sich nahe der Schweizer Grenze. In der Stadt Lörrach wurde bereits im Sommer 2000 begonnen, die kommunale Beschaffung transparenter und effizienter zu gestalten. In der Folge wird heute in Lörrach als einer der ersten deutschen Städte der Einkauf von Betriebs- und Hilfsstoffen per Internet abgewickelt. Grundlage ist eine Softwarelösung für C-Artikel-Beschaffung.

Bestellungen und Statusabfragen. Voraussetzung der kommunalen Beschaffung sind die gesetzlichen Regelungen. Die Stadt schreibt zunächst auf Basis des Vorperiodenbedarfs aus. Die im Rahmen dieses Verfahrens ermittelten Preise werden in den Produktkatalog des externen Beschaffungssystems eines Dienstleisters eingespeist. Diese Produktkataloge können die Mitarbeiter der Stadt online von ihrem Schreibtisch aus erreichen, weshalb hier auch von Desktop-Purchasing-Systemen (DPS) gesprochen wird. Per DPS können Bestellungen aufgegeben, Statusabfragen getätigt oder Budgets der Mitarbeiter abgefragt werden. Die Bestellungen werden im Beschaffungssystem gesammelt, nach Kostenstellen sortiert und an Lieferanten weitergegeben. Spätestens nach fünf Tagen wird geliefert. Die Abrechnung erfolgt nach einzelnen Kostenstellen monatlich zwischen Stadt und Lieferanten.

Die Lörracher Oberbürgermeisterin Gudrun Heute-Bluhm rechnet pro Jahr mit einer Kostensenkung von rund 30000 Euro.

Mittlerweile haben sich drei weitere Gemeinden der Einkaufsplattform angeschlossen. Ob aber mit der wachsenden Zahl der Teilnehmer an der kommunalen Einkaufsgemeinschaft künftig die Einkaufspreise sinken, ist zweifelhaft. In der Industrie hat sich diese Hoffnung nicht oft erfüllt. Als Antwort auf Einkaufsplattformen der Automobilindustrie wie Covisint entstand beispielsweise das Rubbernetwork. Dieses Netzwerk der weltweit wichtigsten Reifenfabrikanten setzt sich mittlerweile erfolgreich gegen die kumulierte Einkaufsmacht der Automobilhersteller zur Wehr.

Auch in Lörrach zeigte sich der lokale Einzelhandel zunächst skeptisch. Derzeit wirkt sich die Neuorganisation des kommunalen Einkaufs jedoch noch positiv auf die lokalen Lieferanten aus.

Doch auch ohne externe Dienstleister kann eine kompetente Gruppe mit einfachen Mitteln Beachtliches leisten. Ein interessantes Beispiel hierfür liefert das Referat VIII im Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern. Über das Referat werden zentral für alle Geschäftsbereiche des Ministeriums Waren und Dienstleistungen rund um Kraftfahrzeuge und Luftfahrtgerät eingekauft. Im Jahr 2000 umfasste dies ein Beschaffungsvolumen von mehr als 325 Millionen Euro, wobei der größte Teil im Auftrag des Bundesgrenzschutzes vergeben wurde.

Der überwiegende Teil der Aufträge des Beschaffungsamtes wird mittels "Offener Verfahren" und "Öffentlicher Ausschreibungen" gemäß den Richtlinien der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) vergeben. Den Auftrag erhält dann der Anbieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot. Diese Wirtschaftlichkeit ergibt sich aus der Summe der Investitionskosten, der Verbrauchskosten sowie des Wertverlustes. Durch eine Bündelung der Bestellungen einzelner Geschäftsbereiche hofft das Beschaffungsamt die Wirt-schaftlichkeit der Angebote zu optimieren und die eigene Verhandlungsposition zu verbessern. Allerdings ist eine Bündelung bei den mehr als 30 verschiedenen Bedarfsträgern für Polizeifahrzeuge kein leichtes Unterfangen.

Aus diesem Grund wurde im Referat VIII beschlossen, auf Grundlage vorhandener Software (Word, Excel und Outlook) sowie der Programmiersprachen Visual Basic und Turbo Pascal eigene Anwendungen zu entwickeln.

Dokumente werden bis zur Einführung der digitalen Signatur sowohl per E-Mail als auch postalisch versandt. Grundlage für die einzelnen Bestellungen sind Rahmenverträge, die das Beschaffungsamt vorab längerfristig mit dem zuvor ausgewählten Lieferanten schließt.

Einfache technische Lösung. Die vergleichsweise einfache technische Lösung führt im Verlauf der Beschaffung zu deutlich geringeren Prozess- und Transaktionskosten. Somit kann schon heute von einem nachweisbar erfolgreichen Projekt gesprochen werden. Und das ohne "jahrelange Entwicklung von spezieller Software", wie Volker Helbig, Beauftragter im Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums, zu Recht hervorhebt.

Beide Beispiele aus der öffentlichen Verwaltung zeigen, dass auch die unterschiedlichsten Ansätze zu ähnlichen Ergebnissen führen. Ergebniswirksame Einsparungen im Beschaffungsbereich resultieren letztendlich aus der Optimierung der Beschaffungsprozesse.

Selbst die Erfahrungen aus Prozessoptimierungen durch elektronische Beschaffungssysteme in der Privatwirtschaft bestätigen diesen Eindruck. Ein Beispiel hierfür bietet die Deutsche Bank AG. Mit ihrem Geschäftsbereich Global Markets hält sie in Europa eine Spitzenstellung im Bereich Wertpapierhandel. Tag für Tag werden hier festverzinsliche Wertpapiere im Wert von mehreren Millionen Euro gehandelt. Bereits im Jahr 1997 wurde ein konzernweites Einkaufs-, Beschaffungs- und Informationssystem eingeführt. Da zum damaligen Zeitpunkt auf dem Markt keine Standardlösung verfügbar war, entschied man sich für die Entwicklung einer individuellen Lösung. Diese sollte kompatibel zur vorhandenen Intranetplattform, einer Variante von Lotus Notes und ein daran angegliedertes SAP-R/3 Modul MM (Materialwirtschaft), sein. Nach Fertigstellung des Systems in Deutschland wurde die Zahl der Anwender in einer zweiten Ausbaustufe auf weltweit rund 3500 erhöht, geplant sind zirka 10000. Bis zu 80 Prozent des gesamten Einkaufsvolumens der Deutschen Bank sollen langfristig über das System abgewickelt werden.

Wichtigstes Ergebnis der Einführung des Beschaffungssystems sind die massive Reduzierung der Durchlaufzeiten und der erheblich reduzierte Aufwand pro gestellten Antrag.

Die Ausgaben herunterfahren. Der Staat will mit dem elektronischen Einkauf über das Internet die Ausgaben um Milliarden herunterfahren. Ob wirklich Kostenreduzierungen in zweistelliger Milliardenhöhe erzielt werden können, werden die kommenden Jahre zeigen. Mit Spannung darf in diesem Kontext auf das Projekt "Öffentlicher Eink@uf Online" des Beschaffungsamtes des Innenministeriums geblickt werden. Hier sollen ab Frühjahr 2002 Ausschreibungen und Vergabe der öffentlichen Hand komplett im Internet abgewickelt werden können.

Ob die erhofften Einsparungen, wie von Staatssekretärin Brigitte Zypries erwünscht, auch durch sinkende Angebotspreise der Bieter erzielt werden, ist fraglich. Die bisherigen Erfahrungen sprechen nicht dafür. Sicher ist jedenfalls, dass die Einführung elektronischer Beschaffungssysteme zur Senkung der Transaktions- und Projektkosten führt. Und somit steht ein Gewinner schon heute fest: der Steuerzahler.

Autor: Frank Wernecke, Account Manager Public Sector bei der GTF Technologies AG in St. Georgen.

Quelle: Computerwoche, 19.10.2001

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