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Thursday, 5.12.2024
Transforming Government since 2001
eGovernment birgt Sparpotenzial in Milliardenhöhe

Parteiübergreifend hat sich der Bundestag für einen massiven Abbau von Bürokratie ausgesprochen, um Wirtschaft und Bevölkerung zu entlasten. Die überflüssigen Kosten, die durch bürokratische Hemmnisse entstehen, werden auf bis zu 46 Milliarden Euro geschätzt. Wenn man die Ergebnisse der Niederlande ansetze, seien rechnerisch Einsparungen in Höhe von 20 Milliarden Euro pro Jahr möglich, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen. „Das niederländische Modell lässt sich problemlos auf Deutschland übertragen", ist der Chef des niederländischen "Bürokratie-TÜVs" Robin Linschoten gegenüber der Financial Times Deutschland sicher. Er ist einer von drei Vorstandsmitgliedern des Rates zur Vermeidung administrativer Lasten, kurz Actal und prüft neue Gesetze mit Hilfe einer einfachen Rechenmethode auf die Kosten für Verwaltung und Wirtschaft.

Der Abbau von Vorschriften ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Um den trägen Staatstanker nämlich flott und flexibel zu machen, bedarf es auch Reformen in den Verwaltungen selbst. Ganz oben auf der Liste der Notwendigkeiten steht dabei die konsequente Nutzung von modernen Informationssystemen. „Immer noch wird eGovernment überwiegend als Elektronifizierung der bestehenden Verwaltung betrachtet, nicht aber als Wachstumstreiber oder Instrument zur Modernisierung von Staat und Gesellschaft“, schreiben die Kommunalpolitischen Blätter. Unter diesem Gesichtspunkt gehörten alle staatlichen Aufgaben auf den Prüfstand. Die Europäische Kommission hat dazu einen Aktionsplan für elektronische Behördendienste vorgelegt, wie die Verwaltung in den 25 Mitgliedstaaten der EU modernisiert werden könnte. Laut Bundeskanzleramt ließen sich bei ausnahmsloser Einführung der elektronischen Rechnungsstellung und der elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge Einsparungen in Höhe von rund 300 Milliarden Euro jährlich erzielen.

Vergleichbare nationale Initiativen haben in einigen Mitgliedsländern bereits zu erheblichen Einsparungen geführt. Durch die elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge konnten beispielsweise in Italien im Jahr 2003 3,2 Milliarden Euro eingespart werden. Bei uneingeschränkter EU-weiter Einführung der elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge ließen sich bis zu 80 Milliarden Euro pro Jahr einsparen, heißt es von dort. Auch deutsche Bundesländer haben die Zeichen der Zeit erkannt: So hat sich das finanzschwache Mecklenburg-Vorpommern der Verwaltungsmodernisierung verschreiben: „Die Verwaltungsabläufe werden zunehmend auf elektronischem Wege ausgeführt. Dies bringt eine höhere Effizienz und Bürgerfreundlichkeit, weil Verwaltungsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden“, betont Innenminister Gottfried Timm. Schon seit 2003 verfügt Baden-Württemberg über ein „Bürger-Portal mit Mehrwert“, das erste gemeinsame Verwaltungsportal von Land und Kommunen. Das Portal erleichtert Bürgern und Unternehmern die Kommunikation mit den Verwaltungen und informiert umfassend zu jeder Art von Behördengang. Redaktionell umgesetzt wird das Angebot von der österreichischen Firma net-value, die auch das bundesweite Verwaltungsportal der Alpenrepublik verantwortet.

Für viele Unternehmen, Länder und Kommunen stellt sich unter dem Aspekt der Vereinfachung und Einsparung auch die Frage nach der Automatisierung von Auskunftsdiensten und einfachen Dienstleistungen. Der computergesteuerte Telefonservice beim Bürgeramt der Stadt Augsburg beispielsweise bietet verschiedene Dienste wie Auskunft zu den Bürgerbüros, Informationen zu Kfz-Zulassungen, Ausweisen, Meldewesen und Führungszeugnissen, Lohnsteuerkarten sowie die Weiterleitung zu Sachbearbeitern der Verwaltung. Auch Berlin verfügt seit März über ein Telefonauskunftssystem zur Verbesserung des Bürgerservice. Antragsteller von Personalausweisen oder Reisepässen können rund um die Uhr Bearbeitungsstand, Abholtermin und Abholort ihrer Dokumente abfragen. Nach Angabe einer persönlichen Referenznummer erhalten sie über ein elektronisches Sprachdialogsystem die gewünschte Auskunft.

Für den Sprecher der Brancheninitiative Voice Business, Bernhard Steimel, ist diese Entwicklung nur konsequent, und zwar nicht nur unter Kostenaspekten: „Die Diskussion um den Einsatz von Sprachcomputern im telefonischen Kundenservice wird häufig auf das Kostenargument verkürzt. Tatsächlich führt kaum ein Unternehmen ausschließlich diese Services ein, um Geld zu sparen, sondern um einen besseren Service zu bieten.“ Gleiches gelte in geringerem Maß auch für Verwaltungen. Die nämlich könnten durch Verlagerung bestimmter Leistungen auf ein Sprachportal Zeit sparen für komplexere Anliegen, die direkten Kontakt mit dem Bürger erfordern.

Autor/Author: Gunnar Sohn, Andreas Schultheis

Quelle/Source: Neue Nachricht, 15.05.2006

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