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Monday, 20.05.2024
eGovernment Forschung seit 2001 | eGovernment Research since 2001
Hessen soll "Vorreiter beim E-government" sein, verspricht das CDU-Regierungprogramm. Umsetzen soll den Sprung der Landesverwaltung in die Welt der modernen Medien der ausgewiesene EDV-Spezialist Harald Lemke. Seit Anfang dieser Woche ist er nun Staatssekretär in Hessen: Harald Lemke, 47 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder, parteilos. Ein gelernter Starkstromelektriker und studierter Informatiker mit langer beruflicher Erfahrung als Software-Spezialist in Computerfirmen und öffentlichen Verwaltungen, zuletzt beim Bundeskriminalamt (BKA). Fünf Jahre hat er nun Zeit, die in der Landesverwaltung vorhandenen verschiedenen Computersysteme miteinander zu vernetzen, neue Strukturen zu schaffen, um Verwaltungs- und Entscheidungsabläufe zu beschleunigen und den Bürgern elektronische Pfade in die Amts- und Behördenstuben zu öffnen. Irgendwann einmal, so Lemkes Vision, soll die vom Bürger abgeschickte E-mail den gleichen Wert haben wie eine schriftliche Eingabe auf Papier. Der Computer leitet die elektronische Post automatisch an den richtigen Sachbearbeiter, der verteilt sie per Knopfdruck an die Kollegen weiter, und bald darauf kommt die Antwort per Datenleitung direkt zum Heimcomputer des Bürgers. "E-government" heißt das auf Verwaltungs-Neudeutsch.

"Die öffentliche Verwaltung muss den Weg nachvollziehen, den die Wirtschaft schon in großen Teilen hinter sich hat", sagt der überzeugte Computerspezialist, dessen formale Bezeichnung nun "Bevollmächtigte für E-government und Informationstechnologie in der Landesverwaltung" lautet. Sein Job ist es, eine Nutzen bringende elektronische Datenverarbeitung für die Mehrheit der 150 000 Landesbediensteten zu organisieren: ein Mammut-Projekt, das in den vergangenen Jahren alles andere als reibungslos lief.

So kündigte Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) schon vor drei Jahren an, das umfangreiche Betriebswirtschafts-Programmpaket R3 der Softwarefirma SAP in der Landesverwaltung einzuführen. Die Ausgaben dafür sollten 50 Millionen Euro betragen, so Weimar damals. Inzwischen sind die Kosten, insbesondere wegen des enormen Schulungs- und Beratungsaufwandes, schon auf rund 250 Millionen Euro explodiert - und ein Ende der Kostensteigerung ist nicht absehbar. Gewerkschafts- und Personalvertreter halten das System für viel zu komplex, zu aufwendig, zu wenig benutzerfreundlich. Gerade in einer öffentlichen Verwaltung, die nichts produziere und deshalb die eigentlichen Vorteile des Systems R3 gar nicht nutzen könne, würden sich Kosten und Aufwand der Einführung niemals rechnen, meinen die Kritiker. Dafür spricht, dass auch in der privaten Wirtschaft, für die das R3-System eigentlich entwickelt worden war, die Zweifel an seinem Kosten-Nutzen-Verhältnis stetig wachsen. Die "Financial Times" veröffentlichte kürzlich eine Studie, derzufolge sogar die von SAP selbst genannten Referenzkunden mehrheitlich unzufrieden mit dem Programmpaket seien. 57 Prozent dieser Geschäftskunden hätten erkennen müssen, dass die Kosten des Systems höher seien als die Einsparungen, die es ermögliche.

Lemke hat selbst eine SAP-Ausbildung hinter sich und verweist darauf, dass die Firma immerhin Marktführer bei der betriebswirtschaftlichen Standard-Software sei. Allerdings werde er in den nächsten Wochen den Stand des Verfahrens nüchtern analysieren und dabei auch prüfen, ob es Alternativen gebe. Klar sei, dass sich die Investition auf Dauer rechnen müsse.

Für die SPD-Opposition im Landtag steht jedoch jetzt schon fest: Auch Lemke werde das aus dem Ruder gelaufene Projekt SAP-Einführung nicht retten können. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Reinhard Kahl ist sich sicher: "Hier droht ein Millionengrab."

Quelle: Frankfurter Rundschau

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