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Mit dem Einsatz elektronischer Post könnten viele Gerichtsverfahren nach Expertenmeinung schneller und kostengünstiger ablaufen. "Bislang sind wir noch auf dem Stand der Bürotechnik von 1890", sagte der Richter an Amtsgericht Oberhausen, Wolfram Viefhues, in einem dpa-Gespräch am Rande des EDV-Gerichtstags in Saarbrücken. Dort diskutieren etwa 500 Juristen und IT-Experten aus ganz Europa über das Thema "Kommunikation in der Rechtspflege". "Onlinebanking, Steuererklärung und Bestellen im Internet sind heute normal", sagte Viefhues, der auch im Vorstand des Vereins Deutscher EDV-Gerichtstag ist. In der Justiz aber bremsten alte Verfahrensvorschriften, die Siegel, Stempel und Unterschriften notwendig machten. Bislang sei es herkömmlicherweise so, dass ein Klient zum Anwalt geht. Dieser nimmt seine Personalien, die Versicherung und etwa den Unfallgegner auf, tippt sie in den Computer, druckt sie aus und schickt sie zum Gericht. Dort würden die Daten erneut erfasst, ausgedruckt und eine Ladung an den gegnerischen Anwalt schickt. Auch dieser tippe die Daten erneut.

Die elektronische Akte ist Viefhues' Vision. Damit könnte aus seiner Sicht viel Zeit gespart werden. "Es kann schneller gehen, weil die Transportwege entfallen." Wenn die E-Mail aber genauso lang liegen bleibe wie die Akte unterwegs gewesen wäre, sei nichts gewonnen. Deshalb müssten die Arbeitsabläufe in der Justiz der neuen Kommunikation angepasst werden.

Ein großer Gewinn wäre aus seiner Sicht die elektronische Akteneinsicht. Derzeit müsse der Anwalt die Akten noch bei Gericht abholen, kopieren und zurückbringen. Sie sei für die Zeit nicht verfügbar. Das gelte auch, wenn Gutachter um ihre Meinung gefragt würden. Die Akte stehe dann teils monatelang nicht zu Verfügung. "In Zukunft kann die Akte von mehreren Leuten gleichzeitig bearbeitet werden. Das ist ein Vorteil, der sich rechnen wird", sagte Viefhues.

Dass es trotz des Internet-Zeitalters lange noch nicht so weit ist, führt Viefhues auf die vielfältigen Strukturen und Vorschriften in der Justiz zurück. "Wir haben 150 Jahre Akten bearbeitet, aber wie man das elektronisch macht, müssen wir erst noch lernen." Ein Beispiel seien Beweisstücke wie Urkunden. Sie könnten zwar eingescannt werden, Beweisobjekt sei aber noch immer das Papier -- nicht zuletzt, weil Dateien leicht manipuliert werden könnten. "Wir tasten uns so langsam ran, teilweise gibt es noch keine gesetzlichen Bestimmungen", sagte Viefhues.

Der Aufbau der elektronischen Kommunikation sei mit hohen Kosten verbunden. "Wir versuchen auszuloten, was sinnvoll ist und was nicht", sagte der Amtsrichter. Bundesweit gebe es um die 25 Pilotverfahren, beispielsweise bei Scheidungen oder Bußgeldverfahren.

Autor: (dpa) / (anw/c't)

Quelle: Heise online, 23.09.2005

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