Angesprochen auf die "BioP II"-Studie des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), die den existierenden Biometrie-Systemen noch keine ausreichende Praxistauglichkeit attestiert, entgegnete der IT-Chef des Bundes, dass man mit der "Flächenbeschaffung" ja noch nicht begonnen habe. Eine "flächendeckende elektronische Kontrolle" an den Grenzen werde es "erst in einigen Jahren geben", betonte er. "Bis dahin hat sich die Technologie weiter entwickelt", zumindest werde in vielen deutschen Unternehmen und Forschungslabors mit Hochdruck daran gearbeitet. Laut Schallbruch gibt es noch weitere im Auftrag der Regierung erstellte Studien, welche die Überwindungsmöglichkeiten der biometrischen Systeme etwa durch das Hochhalten von Fotos konkret aufzeigen. Die werde man aber nicht veröffentlichen, um Fälschern nicht zu helfen. Oft sei zudem schon "mit anderem Licht" am Einsatzort der Technik auf die Sprünge zu helfen.
Die deutsche IT-Wirtschaft ist sichtlich erfreut über den staatlichen Schub auf Kosten der Steuerzahler und reisenden Bürger und bejubelt den angeworfenen "Innovationsmotor". Endlich habe man im Bereich Biometrie dank der Industriepolitik der Bundesregierung nun "ein großes Referenzprozekt", sagte Sandra Schulz, Bereichsleiterin Sicherheit beim Bitkom. Sie baut darauf, dass "mit dem E-Pass die wesentlichen Marktbarrieren entschärft werden". Vor den Terroranschlägen am 11. September habe die Identifizierungstechnik nämlich "nur eine geringfügige wirtschaftliche Bedeutung" gehabt. Ihren Einsatz hätten hierzulande etwa Ängste der Bürger vor Überwachung oder ein zu restriktiver Datenschutz verhindert. Doch jetzt komme jeder "langfristig mit dem E-Pass in Berührung", sodass die Bedenken hoffentlich abgebaut würden. Man müsse "zu Kompromissen" finden. Für Schulz ist das komplexe Vorhaben aber vor allem ein "Riesenmarkt": Da 95 Prozent des Projektumsatzes auf Standard-IT-Komponenten entfallen würden, könne die gesamte Branche profitieren. Laut Marktforschern soll der deutsche Biometriemarkt von rund 21 Millionen Euro in diesem Jahr auf 144 Millionen Euro 2007 anwachsen.
Die Schar der Kritiker wächst derweil: Mit dem CCC protestieren inzwischen auch die Humanistische Union (HU), das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FifF), die JungdemokratInnen/Junge Linke und das Netzwerk Neue Medien gegen die "neuen Formen der Überwachung" in der "Schnüffelrepublik". Ihrer Ansicht nach wird "ein Sicherheitsplacebo mit inakzeptablen bürgerrechtlichen Nebenwirkungen zwangsverabreicht." Nach und nach würden alle deutschen Passinhaber auf den Meldeämtern einer Prozedur unterzogen, die der erkennungsdienstlichen Behandlung von Kriminellen gleicht. Niemand wisse zudem, wer Zugriff auf die sensiblen Daten habe, wenn diese etwa für Staaten wie Pakistan freigegeben würden. Das Hauptargument der Befürworter des E-Passes, die eh schon hochsicheren deutschen Ausweisdokumente noch noch fälschungssicherer zu machen, greife angesichts der eingesetzten Technik nicht.
Schallbruch weist die Argumente zurück: Es sei kein "Selbstzweck", die Pässe biometrisch aufzurüsten, erklärte er. Die von Deutschland durchgesetzten kryptographischen Verfahren würden verhindern, dass der Pass unbemerkt ausgelesen und beschrieben werden könne. "Wir sind der Auffassung, dass hier das bestmögliche Sicherheitsniveau erreicht worden ist", so sein Tenor. Er bekräftigte ferner, dass es keine zentrale Datei der biometrischen Daten aus den Pässen geben werde. Dass in der EU überhaupt anders als im Rest der Welt zusätzlich Fingerabdrücke mit verlangt werden, erklärte er zu einer "Frage der Flexibilität". Mit Fingerabdrucksensoren sei die Einreise teilweise einfacher zu gestalten als mit Gesichtserkennungssystemen.
Autor: (Stefan Krempl) / (jk/c't)
Quelle: Heise online, 04.10.2005