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Samstag, 18.05.2024
eGovernment Forschung seit 2001 | eGovernment Research since 2001
Mit einem neu gestalteten Portal verfügt die Schweiz über eine solide Informations-Plattform, die jedoch meilenweit vom ursprünglichen Plan entfernt ist.

Der virtuelle Schalter, wie ihn die Bundesbehörden gewünscht haben, wird wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen.

Die Idee war bestechend: Über einen virtuellen Schalter im Internet sollten Schweizer Bürgerinnen und Bürger abstimmen, einen Pass beantragen, die Steuerformulare ausfüllen und vieles mehr können.

Doch nachdem der Bund Ende 2004 die Ziele seines Portals "ch.ch" massiv nach unten korrigiert hatte, wird das Ende des Schlangenstehens in den Amtsstuben noch einige Zeit auf sich warten lassen.

Nach dem Neuauftritt ist "ch.ch" ein gut gemachtes Informations-Portal zur offiziellen Schweiz, das jedoch keine Interaktivität bietet, wie ursprünglich geplant war. Der Grund: Die Kantone wollten sich finanziell nur noch mässig engagieren und lehnten letztes Jahr interaktive Module ab.

"Das, was uns jetzt vorliegt, ist etwas sehr Nützliches und an sich positiv zu bewerten", sagt Reinhard Riedl, Leiter der Forschungsgruppe eGovernment am Institut für Informatik der Universität Zürich, gegenüber swissinfo. "Es ist aber nur ein erster Schritt, auf den viele weitere folgen sollten."

Schweiz im letzten Drittel

Denn die Zahlen sind deutlich: Im neusten Bericht der Koordinationsstelle Informationsgesellschaft (KIG) liegt die Schweiz in Sachen eGovernment immer noch auf den hintersten Plätzen in Europa. Eine Studie der Universität St. Gallen und die jüngste europäische Vergleichsstudie bestätigten das Resultat.

"Im Bereich der digitalen Identität sind einige Länder im benachbarten Ausland wesentlich weiter, ebenfalls im Bereich der zentralen Dienste wie Registrierungs-Dienste", nennt Riedl einige Beispiele.

Der Bundesrat (Landesregierung) hat sein ehrgeiziges Ziel also klar verfehlt: Ende 2005 wollte die Schweiz in den relevanten internationalen Benchmarks betreffend Umsetzung von eGovernment im vorderen Drittel rangieren.

Föderalismus nicht alleine Schuld

Oft wird dabei die föderalistische Struktur der Schweiz als Grund für die Mühe mit eGovernment ins Feld geführt. In der Schweiz liegen viele Aufgaben bei den Kantonen oder den Gemeinden, mit teils massiven Unterschieden.

Doch das ebenfalls föderalistisch geprägte Österreich, das regelmässig Spitzenplätze einnimmt, straft diese Einschätzung Lügen. Auch Riedl ist dieser Meinung. "Der eigentliche Hemmschuh für eGovernment ist nicht so sehr der Föderalismus, sondern das Grundprinzip der Schweiz: Alle wollen etwas vom Kuchen abbekommen und aufeinander Rücksicht nehmen."

Das führe dazu, dass überall nach eigenen Modellen gesucht werde und Software-Lösungen beispielsweise nicht ohne Probleme von einem Kanton zum andern übertragen werden könnten. Auch die St. Galler Studie sieht ein grosses Hindernis in fehlenden Standards zum Datenaustausch.

Zwar hat der Bund mit dem Verein "ech.ch" eine Stelle geschaffen, die sich für einheitliche Standards einsetzen soll, doch deren Richtlinien sind nur Empfehlungen.

Führende Internet-Nation

Den schlechten Zahlen betreffend eGovernment gegenüber stehen Studien, welche die Schweiz unter den weltweit führenden Nationen auflisten, was die Verbreitung von Computern und Internet-Zugängen betrifft. So verfügen 3700 von 5000 Schulen über einen Breitband-Anschluss.

Darum hat der Bundesrat nun seine Strategie für die Informationsgesellschaft Schweiz von 1998 revidiert. Am Mittwoch hat die Landesregierung erneut bekräftigt, die Schweiz solle in Sachen eGovernment in die Spitzengruppe geführt werden.

Ziele klar definieren

Eine typisch politische Strategie, findet Riedl. "Es wäre nützlich, wenn man das durch eine konkretere inhaltliche Strategie ergänzen würde, wenn eine klare Vision und klare Ziele definiert würden. Nicht, wo man in einem Jahr sein möchte, sondern in fünf bis zehn Jahren."

Denn in der Schweiz werde viel zu wenig getan, um in den Benchmarks wirklich nach vorne zu kommen. "Das betrifft nicht nur die Praxis, sondern auch, dass im eGovernment relativ wenig in Forschung und Entwicklung investiert wird", so Riedl.

Schliesslich sei die Vision von eGovernment, "dass wir einen besseren Staat mit mehr Services zu wesentlich geringeren Kosten erhalten". Der Bundesrat müsse nun erklären, "ob man so weit gehen will - oder nicht".

Autor: Christian Raaflaub

Quelle: swissinfo, 19.01.2006

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