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Wednesday, 15.05.2024
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Die Kurse der großen US-Anbieter fallen trotz Terrorangst und Sicherheits-Hype immer tiefer. Die Anleger haben erkannt, dass die Biometrie-Industrie vom globalen Milliardengeschäft mit den Biometrie-Reisepässen vorerst kaum profitieren wird.

Die letzten Börsen-Überflieger der Dot.com-Blase waren Biometrie-Unternehmen, die sich, von Terrorangst und entsprechenden Spekulationen getragen, auch länger halten konnten als andere Start-ups. Nun setzen die ersten in dieser überschaubaren Zahl von Unternehmen zum Tiefflug an. Gegen Viisage Technology, das größte Unternehmen, das Gesichtserkennungs-Technologien vertreibt und seit 1998 an der NASDAQ notiert, läuft seit vergangener Woche ein "class action suit". Dieser Sammelklage können sich alle Aktionäre anschließen, die zwischen Oktober 2004 und März 2005 Viisage-Papiere gekauft haben.

Der Grund klingt gerade jetzt, da Bernard Ebbers, Ex-Chef des Börsen-Überfliegers WorldCom [Telefonie] in einem spektakulären Betrugsprozess verurteilt wurde, ziemlich vertraut. Das Management von Viisage soll die Anleger über die Geschäftsaussichten der Firma getäuscht haben.

Ex-WorldCom-Chef verurteilt

Biometrie-Pässe kein Geschäft

Mehrere Höhenflüge Viisages waren ganz einfach darauf zurückzuführen, dass die internationale Organisation für Zivillufftfahrt [ICAO] als "erstes biometrisches Erkennungszeichen" ein elektronisches Passfoto in ihre Passstandards aufgenommen hat.

Am weltweiten "Muss-Geschäft" mit Lesegeräten, Biometrie-Software und Datenbank-Infrastarukturen für die neuen Pässe wird Viisage dennoch nicht partizipieren. Gesichtserkennung beim Grenzübertritt wird auf absehbare Zeit auch weiterhin "manuell" durch Beamte durchgeführt.

Software zur Gesichtserkennung produziert nämlich viel zu hohe Fehlerraten, um im Reisealltag eingesetzt zu werden. Die kleinen JPEGs in den neuen Pässen sind als Ausgangsmaterial für Gesichtserkennung schlicht ungeeignet.

Nicht viel besser ergeht es den Firmen, die auf den Fingerabdruck setzen, das zweite genormte biometrische Erkennungszeichen in den Pässen.

Der Kurs des Traditionsunternehmens Identix [seit 1992 an der Börse] ist von beinahe 40 Dollar auf ein Achtel gefallen und notiert mittlerweile nahe fünf USD. Auch Identix und praktisch alle anderen Biometrie-Anbieter werden an den Milliarden, die für die neuen Biometrie-Pässe fließen werden, nicht mitverdienen. Paradoxerweise sind die Biometrie-Pässe für die Biometrie-Industrie nämlich kein Geschäft.

Weil es für Fingerabdrücke weltweit kein normiertes Verfahren zum Einlesen und Speichern als Zahlenkombination gibt, wird ein simples Foto der Abdrücke in die Pässe kommen.

Fingerabdrücke für EU-Reisepässe

Das strukturelle Dilemma

Damit fällt für praktisch alle Biometrie-Anbieter der "Business-Case" weg. Deren Produkte unterscheiden sich nämlich vor allem in den Einlese- und Abspeicherungsverfahren, die mit Patenten geschützt sind und mit Algorithmen, die so weit wie möglich geheim gehalten werden, funktionieren.

Würde das Einleseverfahren eines Unternehmens zur Norm erhoben, wäre dieses auf einen Schlag Weltmarktführer, während alle anderen Biometrie-Firmen aus dem Rennen wären.

Das ist das grundsätzliche Dilemma der Biometrie-Industrie, das in der [börsennotierten] Branche selbst äußerst ungern thematisiert wird.

Nur Maxine Most von Acuity-MI, ebenso geachtete wie gefürchtete Analystin der globalen Biometrie-Branche, tut das mit schöner Regelmäßigkeit. Die jahrelang überhöhten Umsatzprognosen und unrealistischen Marktausblicke der Industrie zeugten von einem sehr beschränkten Verständnis der eigentlichen Marktdynamiken, schreibt Most.

Die jetzt im Sinkflug befindlichen Biometrie-Firmen sind übrigens auf einer Liste mit "Todeskandidaten", die Most in einem Gespräch mit der futurezone Anfang 2004 erwähnt hatte.

Quelle: futureZone, 16.03.2005

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