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Eröffnungsvortrag des Parlamentarischen Staatssekretärs bei der Bundesministerin der Justiz, Alfred Hartenbach, anlässlich des 12. EDV-Gerichtstages 2003 am 25. September 2003 in Saarbrücken Anrede!

I.

Ich freue mich sehr, Sie heute - auch im Namen von Frau Bundesministerin Zypries - hier beim 12. EDV-Gerichtstag begrüßen zu können.

Vor einem Jahr hat mein Vorgänger, Herr Professor Pick, an dieser Stelle die große Fülle an Themen aufgezeigt, die die enorme Verbreitung des Internets in nahezu allen Bereichen der Rechtspolitik mit sich gebracht hat.

Und so ist es nur konsequent, dass auch das Bundesjustizministerium eine Veranstaltung wie diese gerne fördert und unterstützt. Saarbrücken ist inzwischen zu einem Synonym für den Bereich „Recht und Informationstechnik" geworden.

„Mit der Technik von heute zur Justiz von morgen" - das Motto des diesjährigen EDV-Gerichtstags lässt - wie Herr Professor Herberger in seinem Grußwort deutlich gemacht hat - eine Reihe von Deutungen zu.

Bei aller Veränderung der äußeren Gegebenheiten erscheint mir aber eines wichtig: Die bewährten Prinzipien unseres Justizsystems - wie Rechtssicherheit und der Anspruch auf rechtliches Gehör - müssen erhalten bleiben, ja sie sollten durch den Einsatz moderner Technik sogar gefördert werden. Und so stehen zu Recht beispielsweise „EDV am Richterarbeitsplatz" und der „Elektronische Rechtsverkehr" auf dem Programm der kommenden beiden Tage - können doch die Diskussionen über diese Themen wichtige Beiträge zu einer besseren Entscheidungsfindung oder zu einem leichteren Zugang der Bürger zu den Gerichten leisten.

Digitale Signaturen und die Beweiswirkung elektronischer Dokumente können zu mehr Sicherheit in der Rechtsprechung und damit ebenfalls zu einer bürgerfreundlicheren Justiz führen. Und schließlich schafft die neue Technik auch ganz neue Möglichkeiten für die praktische Durchführung gerichtlicher Verfahren.

Wenn aus der Gerichtstafel die Bekanntmachungsplattform im Internet wird, wenn mündliche Verhandlungen auch in einem „Chatroom" stattfinden können, dann kann das sowohl den Zugang zu unserer Justiz als auch Transparenz und Effizienz der gerichtlichen Tätigkeit wesentlich fördern.

Das Bundesministerium der Justiz hat sich stets der Herausforderung gestellt, Bedingungen zu schaffen, die es den Bürgern erlauben, die Vorteile moderner Technik offensiv zu nutzen, ohne dass die genannten Grundsätze preisgegeben werden. Hier sei nur an das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr erinnert. Aber auch für die Zukunft ist die Berücksichtigung technischer Entwicklungen in Gesetzgebung und -umsetzung eine wichtige Aufgabe. Und schließlich geht es auch darum, papierbasierte gerichtsinterne Abläufe und Verfahren kritisch zu hinterfragen und die neuen technischen Möglichkeiten für eine Modernisierung der Abläufe zu nutzen.

II.

Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen, Ihnen einen kurzen Überblick über die Aktivitäten des Bundesministeriums der Justiz auf diesen Feldern zu geben.

1.) Elektronischer Rechtsverkehr

Schon eine kleine Tradition hat das Thema „Elektronischer Rechtsverkehr" auf dem EDV-Gerichtstag. Bereits 1999 stellte damals die Bund-Länder-Kommission für Datenverarbeitung und Rationalisierung in der Justiz auf dem 8. EDV-Gerichtstag ihre Überlegungen vor. Die Einführung der elektronischen Kommunikation in der Justiz war auch im vergangenen Jahr wieder ein Schwerpunkt der Arbeit des BMJ im IT-Bereich. Das betrifft zum einen die Rechtsgrundlagen.

Ziel der Umstellung auf moderne elektronische Kommunikationsformen muss es sein, bewährte Grundsätze wie Rechtssicherheit und Anspruch auf rechtliches Gehör zu sichern. Die Zulassung der rechtsverbindlichen elektronischen Kommunikation mit den Gerichten hat deshalb zunächst einmal intensive Vorarbeiten in den Verfahrensordnungen notwendig gemacht.

Diese Aufgabe ist inzwischen zu einem guten Teil bewältigt.

Das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften und das Zustellungsreformgesetz haben die Möglichkeit geschaffen, sowohl auf der Eingangs- wie auf der Ausgangsseite des Zivilprozesses elektronische Verfahren einzusetzen. Andere Verfahrensordnungen sehen Entsprechendes vor. Schriftsätze können danach bei Gericht elektronisch eingereicht und Urteile elektronisch zugestellt werden.

Diese Regelungen stehen allerdings jeweils unter dem Vorbehalt einer Verordnung, die den offiziellen „Startschuss" für den elektronischen Rechtsverkehr gibt und die Modalitäten der Übermittlung festlegt. Diese Einschränkung ist notwendig, um eine zuverlässige Abwicklung im Rahmen der technischen Möglichkeiten der Gerichte zu gewährleisten.

Schließlich soll die elektronische Einreichung von Dokumenten, sobald sie einmal zugelassen ist, sofort rechtsverbindlich sein - eine Experimentierphase gibt es dann nicht mehr.

Damit komme ich zur praktischen Umsetzung, die inzwischen bei den meisten Bundesgerichten in Angriff genommen worden ist. Realität ist der elektronische Rechtsverkehr bereits beim Bundesgerichtshof. Dort können Sie als Rechtsanwalt beim BGH heute schon rechtsverbindlich Schriftsätze in Zivilsachen elektronisch einreichen. Voraussetzung ist lediglich der Erwerb einer persönlichen Chipkarte, mit der die Dokumente elektronisch signiert und verschlüsselt werden. Auf diese Weise bleiben Authentizität und Vertraulichkeit der Korrespondenz erhalten.

Auch förmliche Zustellungen, zum Beispiel an den Anwalt des Prozessgegners, erfolgen seit Juli 2002 auf diesem Wege - vorausgesetzt, der Empfänger nimmt am Elektronischen Rechtsverkehr teil.

In einem der Zivilsenate läuft außerdem bereits eine vollständige elektronische Vorgangsbearbeitung als Modellversuch.

Bei diesem zentralen Baustein des elektronischen Rechtsverkehrs werden die elektronisch eingegangenen Schriftsätze auch intern an den zuständigen Richter weitergeleitet. Der Richter kann Anordnungen und Verfügungen ebenfalls in elektronischer Form direkt am Bildschirm erstellen und von der Geschäftsstelle elektronisch zustellen lassen.

Seit Frühjahr diesen Jahres wird das gerichtsinterne Dokumentenmanagement für sämtliche Zivilsenate des BGH optimiert. Ziel dieser „2. Ausbaustufe" des Elektronischen Rechtsverkehrs ist es, die Arbeitsabläufe und die Archivierung im Bundesgerichtshof elektronisch zu unterstützen.

Das Bundesministerium der Justiz sieht den Rechtsverkehr in der Form, wie er beim BGH praktiziert wird, als Modell an, das nun verstärkt weiterentwickelt werden soll.

Auch beim Deutschen Patent- und Markenamt, beim Bundespatentgericht und beim BGH in Verfahren des gewerblichen Rechtsschutzes läuft ein Pilotbetrieb für den elektronischen Rechtsverkehr. Nach der Verordnung zum Elektronischen Rechtsverkehr im gewerblichen Rechtsschutz vom 8. August 2003 können - mit einer kleinen Einschränkung beim Bundespatentgericht - verfahrensrelevante Erklärungen, für die an sich die Schriftform erforderlich ist, ab 15. Oktober 2003 auch elektronisch eingereicht werden. Hierbei sind auch internationale Entwicklungen zu berücksichtigen. Das Verfahren für elektronische Patentanmeldungen wird deshalb mit dem des Europäischen Patentamts harmonisiert. Nach dem gemeinsam erarbeiteten Konzept soll es ermöglicht werden, sowohl mit der deutschen als auch mit der europäischen Software bei beiden Ämtern Anmeldungen tätigen zu können.

Für das Bundesverwaltungsgericht und den Bundesfinanzhof liegen bereits Konzepte zum Elektronischen Rechtsverkehr vor, die an die Vorarbeiten beim BGH anknüpfen, aber an die speziellen Bedürfnisse dieser Gerichte angepasst werden. Mit dem Start des Elektronischen Rechtsverkehrs ist dort daher im nächsten Jahr zu rechnen.

Im Rahmen der Initiative BundOnline 2005 ist das Bundesministerium der Justiz außerdem an der Entwicklung einer „virtuellen Poststelle" für die Bundesgerichte beteiligt. Ziel ist es, eine gemeinsame Posteingangsstelle zu erarbeiten, mit der die teilnehmenden Bundesgerichte und -behörden ihren Elektronischen Rechtsverkehr abwickeln können.

Ich bin mir sicher, dass der Weg, den wir bisher bei der Realisierung des Elektronischen Rechtsverkehrs eingeschlagen haben, zum Erfolg führen wird. Denn die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr bietet erhebliche Verbesserungen bei der Kommunikation. Es entfallen aufwändige und fehlerträchtige Medienbrüche, wie sie bei der Übertragung per Fax vorkommen. Dafür wird üblicherweise das am PC erstellte Dokument erst ausgedruckt und dann in das Fax-Gerät zur elektronischen Übertragung eingelegt. Ich denke hier nur an die berühmte Frage, ob das Dokument mit der Schriftseite nach vorne oder nach hinten eingelegt werden muss.

Eine mit elektronischer Signatur unterschriebene und verschlüsselte Datei gewährleistet außerdem weit besser als andere Mechanismen die Authentizität und Vertraulichkeit der übermittelten Informationen.

Schließlich - ich möchte nur noch ein weiteres Beispiel nennen - kann der Absender auch leichter eine Empfangsbestätigung erhalten als dies bei anderen Verfahrensweisen möglich wäre.

Dies kann zum Beispiel durch automatische Sendung einer Bestätigungs-E-Mail geschehen. Von diesen Vorteilen können Gerichte und Anwälte gleichermaßen profitieren. Ich würde mich deshalb freuen, wenn gerade innerhalb der Anwaltschaft der Elektronische Rechtsverkehr auf große Zustimmung stoßen würde.

Vorbehalte gegen den Elektronischen Rechtsverkehr werden zuweilen deshalb laut, weil er - wie auch andere e-Government-Projekte - die Verwendung qualifizierter elektronischer Signaturen nach dem Signaturgesetz vorsieht. Diese sind bekanntlich bislang noch nicht sehr verbreitet.

Als Grund hierfür werden häufig die hohen Kosten genannt. Die Bundesregierung hat deshalb, wie Sie vielleicht wissen, ein so genanntes „Signaturbündnis" ins Leben gerufen. Diese Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, die zur Signierung notwendigen Chipkarten zu vereinheitlichen und zu einem erschwinglichen Preis verfügbar zu machen.

Unabhängig von dieser Initiative denke ich aber, dass gerade auch von einem attraktiven Elektronischen Rechtsverkehr ein Impuls für die Verbreitung der digitalen Signatur ausgehen kann. Ich begrüße es daher, dass dieses Thema auch hier auf dem EDV-Gerichtstag diskutiert wird.

Zugleich suchen wir aber auch nach einer gesetzlichen Lösung für dieses Problem. So soll demnächst der Regierungsentwurf eines Justizkommunikationsgesetzes vorliegen, der Aussagen zur Erforderlichkeit der elektronischen Signatur treffen wird. Der Diskussionsentwurf für ein solches Gesetz wurde bereits auf dem letzten EDV-Gerichtstag vorgestellt.

Ziel dieses Gesetzes ist es, dem elektronischen Rechtsverkehr und vor allem auch dem Technik-Einsatz innerhalb der Gerichte einen weiteren Schub zu geben. Kernpunkte des Entwurfs sind daher unter anderem die Einführung der elektronischen Akte und die Überarbeitung der Vorschriften zur elektronischen Kommunikation in den Verfahrensordnungen.

Ich kann hier leider nicht auf sämtliche Aspekte dieses umfangreichen Gesetzespakets eingehen, bin aber sicher, dass die fachlichen Diskussionen genügend Raum bieten werden, die Regelungen im Einzelnen zu erörtern.

Nach den Vorstellungen des BMJ soll das Gesetz im Wesentlichen am 1. Januar 2005 in Kraft treten.

2.) Elektronischer Bundesanzeiger

Für den Rechtsverkehr wichtig sind aber nicht nur effiziente Abläufe bei Gericht, sondern auch die zuverlässige Bekanntmachung von Tatsachen in der Öffentlichkeit. Das kann eine öffentliche Zustellung sein, die dem Betroffenen die Gelegenheit verschafft, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör wahrzunehmen.

Hierzu gehört aber auch die Einladung einer Aktiengesellschaft zur Hauptversammlung, die es den Aktionären ermöglicht, an der Versammlung teilzunehmen und ihre Rechte als Anteilseigner geltend zu machen. Für diese und noch viele weitere Aufgaben wurde daher schon zu Beginn der Bundesrepublik der Bundesanzeiger als Bekanntmachungsblatt geschaffen.

Heute allerdings stellt sich die Frage: Kann ein Bundesanzeiger in seiner ursprünglich konzipierten Form, als Zeitung mit jährlich mehreren 10.000 Seiten Umfang, seine Aufgabe noch erfüllen, zuverlässig und übersichtlich zu informieren? Ich bin der Auffassung, dass es sinnvoll ist, auch für den Bundesanzeiger elektronische Lösungen zu forcieren.

Gerade wenn man bedenkt, dass inzwischen mehr als 50 % der Deutschen „online" sind, also Zugang zum Internet haben, leuchtet eigentlich ein, dass Informationen, die im Internet abrufbar sind, wesentlich leichter zugänglich sind als ein Bundesanzeiger auf Papier, der in öffentlichen Bibliotheken steht. Dazu kommen die bekannten Vorteile elektronischer Datenbanken, vor allem die bequeme Recherchierbarkeit.

Der Bundesanzeiger dürfte daher als elektronisches Medium in der heutigen Zeit seiner Informationsaufgabe weit besser gerecht werden als eine Papierversion. Das Bundesministerium der Justiz hat dementsprechend bereits im vergangenen Jahr unter der World-Wide-Web-Adresse „www.ebundesanzeiger.de" einen Elektronischen Bundesanzeiger eingerichtet.

Jetzt gilt es, diese Plattform mit Inhalt zu füllen. Den Anfang hat das BMJ selbst mit dem von uns federführend betreuten Transparenz- und Publizitätsgesetz gemacht: Nach dem neuen § 25 des Aktiengesetzes müssen seit dem 1. Januar 2003 sämtliche Aktiengesellschaften ihre Mitteilungen, die bisher in der Papierausgabe des Bundesanzeigers erschienen sind, im Elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichen. Die Ausweitung dieser Regelung auf andere Gesellschaftsformen, insbesondere die GmbH, ist geplant.

Auch der vom Bundesministerium der Finanzen vorgelegte Regierungsentwurf eines Investmentmodernisierungsgesetzes sieht den Elektronischen Bundesanzeiger als Bekanntmachungsorgan vor.

Eine Sonderstellung nimmt der Deutsche Corporate Governance Kodex ein.

Dieses von der Bundesregierung initiierte Regelwerk zur Führung von Unternehmen steht im Elektronischen Bundesanzeiger nicht umsonst unter der Rubrik „Amtlicher Teil":

Der Kodex hat mittelbar Rechtswirkungen, da Aktiengesellschaften nach dem neuen § 161 des Aktiengesetzes verpflichtet sind mitzuteilen, inwieweit sie sich an die Empfehlungen des Kodex halten.

Nachdem der Elektronische Bundesanzeiger seine Praxistauglichkeit unter Beweis gestellt hat, prüfen wir zurzeit, ob und wie die übrigen Inhalte des papierbasierten Bundesanzeigers in den Elektronischen Bundesanzeiger überführt werden können. So weist die juris-Datenbank aktuell 812 gültige Normen aus, die das Wort Bundesanzeiger enthalten. Die Elektronifizierung des Bundesanzeigers erscheint auf den ersten Blick vielleicht einfach; dahinter verbergen sich jedoch komplexe Fragestellungen, etwa zur Organisation des Handelsregisters und der Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren. Zum Beispiel halte ich es für denkbar, den Elektronischen Bundesanzeiger zu einer umfassenden und zentralen Plattform für die Bekanntmachung von Wirtschaftsinformationen auszubauen. In diesem Rahmen würde es sich dann auch anbieten, die Inhalte der Handelsregister aufzunehmen. Die Handelsregister werden heute noch dezentral von den Amtsgerichten geführt und veröffentlicht. Für die interessierten Kreise ist es daher nur schwer möglich, sich einen bundesweiten Überblick über das Handelsregister zu verschaffen. Ähnliches gilt für die Bekanntmachungen im Insolvenzverfahren, die von ganz erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein können.

Mit einer zentralen Veröffentlichung auf einer Plattform im Internet könnten die Vorteile der Elektronik – Veröffentlichung zu günstigen Preisen, Verfügbarkeit an jedem Ort – noch besser genutzt werden.

Auch bei neuen Gesetzen oder bei Novellierungen dürfte der Trend zu einer schnellen Ausweitung von Veröffentlichungen in elektronischer Form gehen.

3.) Elektronisches Grundbuch und Schuldnerverzeichnis

Dies zeigen nicht zuletzt auch andere Bereiche, in denen das Bundesministerium der Justiz den Einsatz von Elektronik gefördert hat.

So wird heute bereits in mehreren Bundesländern das Grundbuch vollständig elektronisch geführt. Die Eintragungen werden dabei nicht mehr auf dem Papier vorgenommen, sondern in der EDV-Anlage abgespeichert. Neueintragungen erfolgen über Tastatur und im Übrigen – soweit es um das Erfassen der Altbestände geht – meist durch Scannen. Die elektronische Führung der Grundbücher vereinfacht die Arbeitsabläufe erheblich und verkürzt die Bearbeitungszeiten für Anträge zum Grundbuch. Das elektronische Grundbuch ermöglicht außerdem einen automatischen Abruf der vorhandenen Daten insbesondere für Notare, Kreditinstitute, Versicherungen und andere Personen, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit praktisch ständig mit Grundbuchdaten arbeiten und die von ihrem Arbeitsplatz aus das Elektronische Grundbuch jederzeit unmittelbar einsehen können.

Die gesetzliche Grundlage dafür hat das BMJ schon vor knapp zehn Jahren geschaffen. Bei der Neuregelung des Schuldnerverzeichnisses 1994, das alle Personen auflistet, die eine eidesstattliche Versicherung abgegeben haben, sind wir schon von Anfang an davon ausgegangen, dass die Gerichte elektronische Dateien verwenden werden. Dementsprechend ist vorgesehen, dass beispielsweise Abdrucke auch durch Übermittlung in maschinell lesbarer Form erteilt werden können. Seit 2001 ist unter bestimmten Bedingungen auch der automatisierte Abruf von Daten aus den Schuldnerverzeichnissen zulässig."

4.) Elektronische Gesetzgebung und Verkündung

Ich hatte bereits angesprochen, dass die Überlegungen zur Einführung des Elektronischen Bundesanzeigers vor allem auch das Ziel verfolgen, den Zugang zu den darin veröffentlichten Informationen für die interessierten Kreise zu erleichtern. Wenn dem so ist, so muss man aber auch weiter fragen: Wie steht es dann mit den Bekanntmachungen der Gesetze und Verordnungen im Bundesgesetzblatt?

Wäre es nicht konsequent, auch hier auf das Internet als Publikationsform zu setzen, also eine „elektronische Verkündung" einzuführen? In der Tat denken wir schon seit einiger Zeit über eine solche Verkündungsform nach. Indes - da es sich bei der Verkündung um einen fundamentalen, auch von der Verfassung geforderten Akt handelt, lässt sich ein solches Projekt nur mit intensiver Vorbereitung realisieren.

Vor allem sind diverse technische Rahmenbedingungen zu klären, die zum Beispiel sicherstellen, dass die auf einem „Verkündungsserver" veröffentlichten Texte nicht verändert werden können. Auch die Frage, ob unsere Verfassung derzeit eine Verkündung per Internet überhaupt zulässt oder ob dafür das Grundgesetz geändert werden müsste, muss geprüft werden.

Unabhängig davon möchte ich die Idee einer elektronischen Verkündung aber auch weiterspinnen: Wenn schon am Ende des Gesetzgebungsverfahrens ein elektronisches Dokument stehen muss, das im Internet zur Verfügung gestellt werden kann, dann ist es nur folgerichtig, schon bei der Vorbereitung und Verabschiedung des Gesetzes mit elektronischen Dokumenten zu arbeiten.

Aus diesem Gedanken ist bei uns das Projekt „Elektronische Gesetzgebung" entstanden. Die Grundkonzeption dieses Vorhabens sieht die Einrichtung eines elektronischen Workflows vor, in dem von der Erstellung des Referentenentwurfs bis hin zur Verkündung und Einstellung der Gesetze in Datenbanken mit strukturierten Textdokumenten gearbeitet wird.

Ich halte diesen Ansatz aus zwei Gründen für äußerst interessant.

Zum einen können Software-Werkzeuge entwickelt werden, die den Bearbeiter eines Gesetzentwurfs bei seiner Arbeit unterstützen. Das könnte zum Beispiel ein Tool sein, das Gesetzesverweisungen auf ihre Stimmigkeit überprüft.

Auch die automatische Erstellung von Synopsen, mit denen verschiedene Versionen des Entwurfs gegenüber gestellt werden, ist denkbar. Eine automatische Konsolidierung würde es dem Bearbeiter erlauben, sich leichter die Auswirkungen von Änderungsgesetzen vor Augen zu führen.

Neben den unmittelbar am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Stellen würde aber auch das demokratische System insgesamt von der Einführung eines solchen Verfahrens profitieren. Beispielsweise würde sich durch die automatische Kontrolle von Verweisungen die Zahl der Redaktionsfehler verringern, wären unsere Gesetze somit widerspruchsfreier und verständlicher.

Durch den elektronischen Workflow ließe sich die Gesetzgebung - über das bereits heute mit den Datenbanken von Bundestag und Bundesrat mögliche Maß hinaus - auch nach außen gegenüber den Bürgern transparenter machen.

Ähnlich wie beim elektronischen Rechtsverkehr hängt der Erfolg von der Akzeptanz des Systems bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ministerien und beim Bundestag und Bundesrat ab. Die neue Software wird sicherlich ein gewisses Umdenken bei den Beteiligten erfordern. Ich bin aber sicher, dass nach der Einarbeitungsphase die Vorteile alle Beteiligten überzeugen werden.

Dazu kommt, dass wir mit dem Projekt eines elektronischen Gesetzgebungsverfahrens nicht allein stehen. Im Rahmen des von der Bundesregierung initiierten eGovernment-Programms BundOnline 2005 wurde unter dem Titel „Vorbereiten politisch-regulativer Entscheidungen" ebenfalls die Idee entwickelt, den Prozess der Normsetzung stärker auf moderne Technik zu stützen.

Die Federführung für die Einführung des elektronischen Workflows in der Gesetzgebung liegt daher beim Bundeskanzleramt. Das Bundesministerium der Justiz ist in die weitere Konzeption und Umsetzung aber selbstverständlich eng eingebunden.

Ich freue mich, dass auch der EDV-Gerichtstag dieses hoch interessante Thema aufgegriffen hat.

Die Diskussion in dem vorgesehenen Workshop wird sicherlich zur Präzisierung unserer Vorstellungen für das weitere Vorgehen beitragen, die wir in die Zusammenarbeit mit dem Kanzleramt einbringen können.

III.

Ich denke, dieser kleine Überblick hat deutlich gemacht, dass das Thema Rechtsinformatik nach wie vor höchst aktuell ist und seine Existenzberechtigung nicht durch die Entstehung des neuen Rechtsgebiets „IT-Recht" verloren hat - auch wenn letzteres in der Fachöffentlichkeit und in den Medien eine weit größere Rolle zu spielen scheint.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen allen einen ertrag- und erfolgreichen EDV-Gerichtstag 2003.

Quelle: Bundesministerium der Justiz

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