In der Praxis zeichnet sich allerdings schon jetzt eine Reihe von Problemen und Unstimmigkeiten ab: So setzen die USA offensichtlich vor allem auf die Infrastruktur und das Personal der ehemaligen "staatlichen Gesellschaft für Internet-Dienstleistungen" [SCIS].
Diese soll nicht nur wieder als führender Provider des Landes agieren, sondern anscheinend auch in ihrer Funktion als Betreiber der zentralen Informationsplattform des Landes im Netz.
Der ehemalige Monopolist startet dabei nicht nur mit einem immensen ökonomischen Vorteil vor der möglichen privaten Konkurrenz, sondern offensichtlich auch mit personellen "Altlasten", also Angestellten, die dem alten Regime sehr nahe standen.
Der Krieg hat die kärgliche Internet-Infrastruktur weitgehend zerstört, US-Raketen trafen die Antennen und Übertragungsstationen auf dem Dach des irakischen Informationsministeriums. Und nach Kriegsende wurden die landesweit 65 Internet-Cafes größtenteils geplündert.
Saddam-Anhänger für Meinungsfreiheit
Während der SCIS-Generaldirektor Schakir Abdullah gegenüber der Nachrichtenagentur AP noch vor zwei Wochen von der "Schlüsselrolle" sprach, die das Internet bei der "gesellschaftlichen Erneuerung" des Irak einnehmen soll, haben einige seiner Angestellten ihn jetzt gegenüber "Wired" bezichtigt, ein treuer Gefolgsmann des Saddam-Regimes gewesen zu sein.
Dabei verweisen sie wohl nicht ganz Unrecht darauf, dass eine für die Propaganda des Regimes so wichtige Funktion wohl kaum von einem Dissidenten oder einer neutralen Person besetzt wurde. Zudem wurde Abdullah 2001 vom Informationsministerium auf den Posten gesetzt, wo er den Gründer der Gesellschaft, Osama Chalid, ersetzte. Letzten Monat soll Abdullah zudem zwei Offiziere des ehemaligen Informationsministeriums, welche die SCIS früher überwachen sollten, angestellt haben.
Die USA scheinen sich an solchen Details allerdings nicht zu stören, ihnen scheint der rasche Wiederaufbau der Infrastruktur derzeit wichtiger als umstrittene Personalien zu sein.
Das dürfte allerdings, insbesondere wenn die zentralen SCIS-Informationsseiten dieser Tage wieder online gehen, ein Balanceakt werden: Mit "Urulink.net" soll dann eine Site reaktiviert werden, auf deren Subsites sich früher sämtliche offizielle Medien des Irak fanden.
Die zentrale Urulink-Site ist nach SCIS-Angaben inzwischen von allen Spuren des alten Regimes "befreit" worden und soll im Laufe der nächsten Wochen wieder online gehen.
Vor dem Krieg wurde die gesamte offizielle Medienlandschaft des Irak im Internet von Beirut aus gehostet. Dort hat die Firma Transtrum ihren Sitz, über die irakische Zeitungen, aber auch die offzielle Nachrichtenagentur INA ins Internet kamen. Ob der fehlenden Leitungen - der Irak ist auf Sat-Verbindungen angewiesen - scheint auch diese Konstruktion wieder in Verwendung zu kommen.
Offizielle Medien des Irak im Netz
Wer .IQ bekommt
SCIS macht sich auch Hoffnungen darauf, zukünftig die für den Irak reservierte Top-Level-Domain [TLD] ".IQ" in Betrieb nehmen zu können.
Hier hat auch schon die britische IT-Firma Onega Ansprüche geltend gemacht: Onega will nach eigenen Angaben mit der Versteigerung von .IQ-Domainnamen "Millionenbeträge" erzielen, die für den Wiederaufbau der technischen Infrastruktur des Landes verwendet werden sollen.
Die Rechte an der irakischen TLD liegen immer noch bei einer texanischen Internet-Firma, gegen deren arabischstämmige Inhaber die US-Justiz wegen des Verdachts der Unterstützung von terroristischen Organisationen ermittelt.
Provider will irakisches Netz entwickeln
Offizielle Auskunft der Internet Assigned Numbers Authority [IANA] über den Betreiber der IQ-Domain
Billiger als die Konkurrenz
Neben den politischen Unstimmigkeiten um SCIS sind aber auch die Aussagen des ehemaligen Monopolisten bedenklich, gut gegen die private Konkurrenz gerüstet zu sein, was angesichts der Tatsache, dass die Gehälter von der US-Verwaltung bezahlt werden, auch nicht verwundert.
Wenn das Netz wieder normal arbeitet, plant SCIS aus dieser komfortabeln Position heraus auch E-Commerce-Aktivitäten und Hosting-Services.
SCIS-Ingenieuren gelang es Ende Mai, einen der Satellitenempfänger aus dem ausgebrannten Informationsministerium in Bagdad zu retten und auf dem Dach eines zweistöckigen Hauses im westlichen Stadtteil Adel zu platzieren. Jetzt soll hier eine Basisstation für die Verbindung mit dem weltweiten Computernetz entstehen.
Wiederaufbau der Internet-Infrastruktur
Quelle: futureZone