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Montag, 10.06.2024
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Die Verwaltung von Wittstock reagiert mit einem Bürgerbus auf die Folgen des demografischen Wandels

Der Bus steht noch keine zwei Minuten an der Bushaltestelle in Zempow. Da kommt Werner Fengler mit seinem weißen Corsa angefahren. Noch muss er sich gedulden. Während Fengler wartet, steckt Benjamin Kremp im Innenraum des Busses Kabel zusammen. Zum Schluss montiert er eine Antenne auf das Dach. Das dauert keine fünf Minuten. „Jetzt können Sie“, sagt Kremp, als er fertig ist. Werner Fengler steigt in den Bus und reicht Claudia Schulze seinen Ausweis.

Seit rund drei Wochen tourt der rote Bus durch Wittstock/Dosse (Ostprignitz-Ruppin). Mit dabei sind meistens Claudia Schulze und Benjamin Kremp. Sie arbeiten für das Bürgeramt. Zurzeit fahren sie mit dem mobilen Bürgerservice in einen von Wittstocks 25 Orts- und Gemeindeteilen. Kürzlich stoppten sie in Zempow, dem kleinsten Ortsteil Wittstocks.

Der Bürgerbus ist Teil eines Pilotprojekts des Brandenburger Innenministeriums. Man habe mit Blick auf den demografischen Wandel nach Wegen gesucht, mit der Verwaltung stärker in kleineren Orten präsent zu sein, erklärt ein Sprecher des Innenministeriums. Viele Gemeinden haben dasselbe Problem: Immer weniger Menschen verteilen sich auf riesige Flächen. Wittstock ist flächenmäßig die sechstgrößte Kommune Deutschlands und größer als die Stadt Köln. Die Infrastruktur ist aber dörflich: Zweimal in der Woche fährt von Zempow ein Bus nach Wittstock.

Das Konzept für den mobilen Bürgerservice wird seit 2009 entwickelt. In dem rollenden Büro können die Wittstocker alles erledigen, wofür sie aufs Amt gehen müssten: Die Adresse im Ausweis ändern lassen, eine Hundemarke abholen oder ein Führungszeugnis beantragen.

Damit das funktioniert, haben die Wittstocker einen Rettungswagen umgerüstet. Dort, wo früher Patienten behandelt wurden, sitzen sich nun Claudia Schulze vom Ordnungsamt und der Zempower Werner Fengler gegenüber. Zwischen ihnen ein klappbarer Schreibtisch. Hinter Schulze steht jede Menge Technik: Ein Drucker, ein Scanner, mehrere Empfänger. Die sorgen dafür, dass der Bus mit Internet versorgt und mit der Wittstocker Zentrale verbunden ist. So kann fast jeder Kundenwunsch nicht nur angenommen, sondern auch bearbeitet werden. Das Projekt läuft bis Oktober. Holger Schönberg, Chef des Wittstocker Ordnungsamts, will den Bus dauerhaft anbieten.

Mit den ersten Wochen ist er ist zufrieden. „Die Resonanz war bislang sehr gut.“ Das ist in Zempow nicht anders. Nach eineinhalb Stunden waren etwa 20 Bewohner bei Claudia Schulze. Eine Menge, wenn man bedenkt, dass in Zempow 117 Menschen leben und viele die Ausweise ihrer Verwandten mit dabei haben. Der hohe Zuspruch hat einen Grund. Weil es in Wittstock viele Straßennamen doppelt gab, wurden sie umbenannt. Deswegen mussten auch die Angaben im Ausweis geändert werden.

Edelgard Engelhardt ist mit gleich vier Ausweisen zum Bürgerbus gekommen. Die Zempowerin hat für ihren Mann, die Schwiegertochter und den Enkelsohn die Personalausweise erneuern lassen. „Das ist schon eine Erleichterung, dass der Bus hierherkommt“, sagt sie. Nach Wittstock zu fahren sei für sie schon sehr aufwendig.

Der Städte- und Gemeindebund unterstützt den mobilen Bürgerservice. Eine Verwaltung mit festem Sitz könne der Service aber nicht ersetzen, sagt die stellvertretende Geschäftsführerin Monika Gordes. „Der mobile Service darf kein Vorwand sein, feste Anlaufstellen abzuschaffen.“ In Brandenburg setzen auch andere Gemeinden auf mobile Verwaltungen. In Potsdam besuchen Mitarbeiter der Meldebehörde Altersheime. Das Nauener Bürgerbüro bietet Hausbesuche an.

Neben Wittstock haben sich weitere Gemeinden für das Pilotprojekt beworben. Zum Beispiel Blankenfelde-Mahlow (Teltow-Fläming). Während Wittstock mit dem Problem zu kämpfen hat, dass die Bürger in ihrer riesigen Gemeinde immer älter werden, ist es in Blankenfelde-Mahlow umgekehrt. Im Berliner Speckgürtel wohnen viele Familien, erklärt Katharina Schiller vom Ordnungsamt. Die sind mobil, arbeiten viel und haben wenig Zeit, ins Bürgeramt zu kommen. „Wir wollten deswegen sonnabends ein Bürgerbüro in einem Einkaufszentrum anbieten“, sagt Schiller. Die Idee blitzte beim Innenministerium ab, weil in einem Büro zwischen Supermarkt und Sportladen der Datenschutz nicht gewährleistet werden konnte. In Blankenfelde-Mahlow will man die Idee nun nicht mehr weiterverfolgen.

In Wittstock ist Holger Schönberg vom Bürgermobil überzeugt. Man könne viele Aufgaben des Ordnungsamts schneller und unkomplizierter erledigen. Außerdem ist der Service für ihn eine gute Antwort auf die Folgen des demografischen Wandels.

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Autor(en)/Author(s): Christian Meyer

Quelle/Source: Märkische Allgemeine,

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