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Mittwoch, 15.05.2024
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Neben den Beschreibungen dessen, was der kommende elektronische Personalausweis an Nutzungsmöglichkeiten bieten soll, befasst sich das gestern vorgestellte Grobkonzept des Bundesinnenminsteriums auch mit der Einordnung der ID-Karte aus der europäischen Binnenperspektive. Dabei geben sich die Autoren des Konzeptes sehr selbstbewusst und sprechen von einer Initialzündung für ganz Europa: "Das hohe deutsche Sicherheitsniveau sollte auch als Grundlage für einen EU-weiten Standard für elektronische Personalausweise dienen." Eine Bestandsaufnahme offenbart eine Vielfalt von elektronischen Personalausweis-Systemen, die bereits in Europa im Einsatz sind.

Mit der Speicherung eines biometrischen Fotos nach ICAO-Norm und einer dreizeiligen MRZ (Machine Readable Zone) auf der Rückseite zur Umsetzung der Basic Access Control für den Zugriff auf das Foto erfüllt der geplante neue Personalausweis die grundsätzlichen neuen Funktionen, die die Europäische Union an einen ID-Ausweis stellt. In diesem Sinne entspricht der kommende Personalausweis am ehesten dem schwedischen Ausweis, der das biometrische Bild ICAO-konform auf einem kontaktlosen Chip gespeichert hat. Dieser umgerechnet 42 Euro teure Ausweis im Scheckkartenformat enthält sonst keine Daten für den elektronischen Identitätsnachweis. Er besitzt aber einen Bereich, in denen eine qualifizierte digitale Signatur gespeichert werden kann. Außerdem kommt die schwedische ID-Kort mit einer eindeutigen Identifikationsnummer für jeden Bürger, die lebenslang gültig ist. Eine solche Nummer ist in Deutschland derzeit noch verboten.

Der vielleicht fortschrittlichste europäische Ansatz ist in Estland zu finden. Im Unterschied zu Deutschland und Schweden gibt es in Estland eine Personalausweispflicht: Jeder Bürger muss einen solchen scheckkartengroßen Ausweis besitzen, der einen kontaktbehafteten Chip hat. In Deutschland besteht eine Personalausweispflicht nur dann, wenn man keinen gültigen Reisepass besitzt. Auf dem Chip sind alle personenbezogenen Daten, aber nicht das Foto, die Unterschrift und die Wohnanschrift gespeichert. Außerdem enthält der Chip eine digitale Signatur, die vom Inhaber per PIN freigeschaltet werden kann, und eine im Authentifizierungszertifikat enthaltene Mail-Adresse, die für jegliche Kommunikation mit den Behörden verbindlich ist. Die Kosten des Ausweises, der seit 2002 eingeführt wird, übernimmt der Staat. Der Bürger zahlt lediglich eine Verwaltungsgebühr von 10 Euro.

Auch der neue belgische Personalausweis kostet nur 10 Euro Verwaltungsgebühr plus Gemeindesteuer. Bis 2009 soll jeder Belgier einen solchen Ausweis mit einem kontaktbehafteten Chip besitzen. Auf dem Chip sind die personenbezogenen Daten gespeichert, außerdem die Wohnungsanschrift, die auf dem Sichtausweis fehlt. Der Ausweis selbst ist für die Speicherung von Zertifikaten vorbereitet, für die es eine Reihe von Anbietern gibt. Unter den Softwarefirmen wirbt Microsoft damit, wie einfach es ist, eine digitale Unterschrift mit Microsoft Office zu erstellen. Da Belgien innerhalb Europas als Vorreiter beim elektronischen Ausweis gilt, ist der Personalausweis ein beliebter Forschungsgegenstand.

Als Scheckkarte ist auch die niederländische Identiteitskaart ausgeführt. Den Ausweis selbst gibt es seit 2001, doch erst seit 2006 kommt er mit einem kontaktlosen Speicherchip, auf dem die personenbezogenen Daten und ein normales Lichtbild gespeichert sind. Außerdem enthält der Chip die Steuer- und Sozialversicherungsnummer, die in den Niederlanden als Personen-ID gilt. Auf dem 31 Euro teuren Personalausweis können derzeit keine Zertifikate und Identifikationsnachweise gespeichert werden.

Die neue italienische Carta di Identità unterscheidet sich von allen elektronischen Ausweisen dadurch, dass sie zwei Speicher besitzt. Neben dem kontaktbehafteten Chip werden alle Daten in einem Laserstreifen auf der Rückseite des scheckkartengroßen Ausweises gespeichert. Neben den personenbezogenen Daten außer der Wohnungsanschrift werden Gesichtsbild und Fingerabdruck gespeichert, allerdings nur als Templates. Der elektronische Personalausweis der Italiener ist nur fünf Jahre gültig und kostet 25 Euro. Bei der Ausstellung kommt er mit einem Zertifikat für die elektronische Signatur oder die Authentifizierung im Internet, das mit einer PIN gesichert ist, während die sonstigen Daten ungeschützt sind.

Ähnlich wie der italienische Ausweis ist die spanische Variante mit einem kontaktbehafteten Chip ausgerüstet, der die Templates des Gesichtsbildes und des Fingerabdruckes enthält. Außerdem kommt der 7 Euro teure Ausweis mit einer qualifizierten elektronischen Signatur. Eine spanische Besonderheit ist es, dass zum Ausweis eine zentrale Datenbank gehört, in der die biometrischen Voll-Informationen (Gesichtsbilder, Fingerabdrücke) aller Bürger gespeichert sind. Bedenken gegen eine solche Zentralerfassung haben schließlich dazu geführt, dass die Einführung eines elektronischen Personalausweises in Großbritannien schwer umstritten ist.

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Autor(en)/Author(s): (Detlef Borchers) / (anw/c't)

Quelle/Source: Heise online, 04.07.2008

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