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Dienstag, 14.05.2024
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E-Pass wird 2006 eingeführt - Mehr Daten für Personalausweis

Ein Land hat sich viel vorgenommen: Großbritannien, in dem es bisher weder Meldepflicht noch irgendeine Form von Personalsausweisen gibt, will ab 2006 den biometrischen Pass einführen. Da heißt es erstmal: Personendaten erfassen und das nicht zu wenig. Denn kein anderer als Winston Churchill hat 1952 die sogenannten ID cards (ein Äquivalent zum deutschen Personalausweis) abgeschafft. Sie schienen ihm nicht mehr nötig. Wer zukünftig einen Pass will, der braucht mehr als eine Zeugenunterschrift zur Bestätigung der britischen Nationalität auf seinem Antragsformular.

Im Oktober 2005 soll es mit den Vorbereitungen losgehen, 2006 die ersten Pässe ausgestellt werden. Rund 600.000 Menschen müssen von da an jährlich interviewt werden. "Zehn Minuten." Nicht länger soll es dauern, "wenn sich die jeweiligen Personen dem Gesetz beugen", lässt einen das Innemenisterium wissen. Da wird dann der Lebenslauf mit Wohnorten festgehalten, vor allem aber die besuchten Schulen, denn die haben noch ganz gut geführte Personenregister. Dann ist die Befragung vorbei und der Antrag für den ersten e-Pass geht seinen bürokratischen Gang.

Der Chip im Pass ist jedoch der Knackpunkt für die Briten. Ist da wirklich nur das drauf, was man gesagt bekommt - oder mehr? Ein Datenaustausch mit Banken ist beispielsweise schon vorgesehen. Alles unter dem Aspekt der Sicherheit: Stichworte Terrorismus, Steuerhinterziehung, Visamissbrauch, Geldwäsche. Die Briten lieben zwar Big Brother im Fernsehen, aber nicht im eigenen Leben. Wie wird es dann erst sein, wenn die Regierung Zugriff haben wird? Allein die im letzten Jahr eingeführte neue Fahrkarte für die Londoner U-Bahn speichert automatisch, wann man wo im Netz ist. Das ist vielen eigentlich schon zuviel. Obendrein treibt der Datenverkauf an Firmen in Großbritanien immer grössere Blüten.

Ohr als zusätzliches Merkmal?

Das ganze Prozedere zum e-Pass wurde bis vor kurzem im Pilotprojekt erprobt, 10.000 Fälle getestet. Kostenpunkt: eineinhalb Millionen Euro. Das Ergebnis: Man hat sich auf eine biometrische Speicherung der Gesichtsmerkmale entschieden, auf der Basis eines Fotos werden die Daten entstehen. Mehr soll's erstmal nicht sein, man lässt sich jedoch die Hintertür für die Speicherung der Daten von Iris und Fingerabdruck ab 2008 offen. Alles wurde zusammen mit der Internationalen Zivilien Luftfahrt Organisation (ICAO) abgestimmt, damit die zukünftigen Pässe der britischen Staatsangehörigen sicherer sind. Alles also auf internationalem Standard und deshalb wird die Zuständigkeit an das Außenministerium zusamen mit dem UK Passport Service übergeben.

Inzwischen werden schon wieder neue Forderungen der Sicherheitsexperten laut: Das Ohr soll als Merkmal mit aufgenommen werden. Das würde sich im Laufe des Lebens auch sehr wenig verändern. Wer erinnert sich da nicht an die Vorschriften des alten deutschen Passbildes: Linkes Ohr freimachen.. oder war es das rechte?

Landesweites Register

Laut Innenministerium besitzen bereits 80 Prozent der Briten einen Pass. Damit sollte eigentlich eine gute Datenbasis für die Erfassung vorhanden sein. Zumal auch die Wahlberechtigten schon in einer Art Wohnortregister erfasst sind. Dennoch, auch manchen von ihnen wird die Prozedur des Interviews bevorstehen. Denn schriftlichen (Verlängerungs-)Anträgen traut man nicht mehr. Knapp 2000 stellten sich allein im vergangenen Jahr als betrügerisch heraus. Mit 4,5 Millionen Interviews rechnet der UK Pass Service ab 2008.

Die Sicherheit des Landes geht vor. Und deshalb will Großbritannien es diesmal richtig machen und ein landesweites Register erstellen.

Mehr Daten im Personalausweis

Der e-Pass ist für die reisefreudigen unter den Inselbewohnern jedoch das kleinere Übel. Für sie ist es der fließende Übergang zum Pflicht-Personalausweis. Denn dessen Chip wird mehr Daten über das eigene Leben beinhalten als jedes offizielle Dokument zuvor. Und die beunruhigende Frage lautet: Was wird da noch draufgeladen und aktualisiert werden im Laufe des Lebens? Arztbesuche? Finanzielle Informationen? Und wie ist es mit Datenmissbrauch durch Zugriff von unberechtigten Dritten?

Kostenpunkt für den britischen Staatsbürger, der die Freiheit zur Reise ins Ausland haben will: Zukünftig ab 100 Euro aufwärts. Ursprünglich ein Kombipreis für Pass und Personalausweis samt Führerschein, falls vorhanden. Diese Version ist allerdings bisher im Parlament auf keine Mehrheit gestoßen. Die Regieriung Blair wird bald einen neuen Anlauf für getrennte Ausweise nehmen müssen. Die Einführung der sogenannten ID-card ist eine große Hürde.

Die Vorstellung des mikrogechipten Bürgers erscheint dem sich seit Jahren dokumentenfrei auf der Insel bewegenden Briten nicht mehr allzu utopisch. Anfreunden kann er sich selbst mit der Idee des mikrogechipten Passes nicht so schnell.

Autor: Ute Susanne Koboldt

Quelle: ZDF heute, 27.10.2005

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