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Mittwoch, 15.05.2024
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Pentagon will Netzwerke noch besser gegen Eindringlinge schützen; Iraks Glasfasernetze sind im Kriegsfall nicht mit Infowar-Mitteln lahmzulegen

Wie der für Aufklärung bei der US-Armee zuständige Generalleutnant Robert Noonan auf der jährlichen Tagung von Old Crows über "Combating Terrorism: What's changing in Electronic Warfare and Information Operations" erklärte, wurden die mit dem Internet verbundenen Netzwerke des Pentagon im letzten Jahr 14.500 Mal angegriffen. Bei 70 Versuchen soll es den Angreifern gelungen sein, auch in das Netz einzudringen, Schaden hätten aber nur drei Vorfälle angerichtet. Schaden haben nach Noonan Viren angerichtet, die auch das übrige Internet heimgesucht hätten. Der "Erfolg" verdanke sich aber nicht den "Hackern und Virenautoren", die besser würden, sondern schlicht der Nachlässigkeit der für die Netze zuständigen Administratoren: "Wir liefern die Patches, und die Systemadministratoren machen nicht, was sie sollen."

Gleichwohl vermittelt Noonan eine Erfolgsmeldung beim jahrelangen Kampf gegen die Cracker. Noch 1998 sind bei einem als "Solar Sunrise" bezeichneten Vorfall zwei Jugendliche unter der Leitung eines israelischen Crackers, der inzwischen auf die andere Seite gewechselt ist, in Pentagon-Computer eingedrungen (Infowar gegen die USA, Glimpflicher Ausgang einer Crackerkarriere). Und 1999 fand ein bislang wohl immer nicht aufgeklärter Vorfall bekannt, der als "Moonlight Maze" bekannt wurde (Wir sind im Cyberkrieg, Noch immer Angriffe auf Pentagon-Rechner). Auch hier hatten sich Cracker in das Netzwerk eingeschlichen. Das Pentagon vermutete, dass sie aus Russland kamen, da angeblich die Angriffe bis zur russischen Akademie der Wissenschaften zurückverfolgt werden konnte. Dort stritt man natürlich alles ab.

Auch wenn es tatsächlich in den letzten Jahren wirklich nur diese beiden Fälle gegeben haben sollte, so hatten sie (und möglicherweise andere, über die man lieber schweigt) nach Noonan doch auch etwas Gutes. Sie halfen nämlich, die Entwicklung von automatischen Intrusion Detection Systeme voranzutreiben, mit denen nun die Netzwerke permanent nach unautorisierten Benutzern überprüft werden. Aber in der Fantasie des Generalleutnants wäre ein weiterer Fortschritt wünschenswert: "Der nächste Schritt ist, dass wir den Eindringling identifizieren müssen, bevor er in das System hineinkommt." Die NSA würde an einem solchen System forschen, aber natürlich geschehe dies unter strenger Geheimhaltung. Solche Systeme seien auch deswegen wichtig, weil sich das US-Militär mehr als das anderer Länder auf automatische Befehls- und Kontrollsystemen stütze.

Interessant sind natürlich auch die Ausführungen über den möglicherweise anstehenden Krieg gegen den Irak. Hier sieht Noonan deswegen Schwierigkeiten für die elektronische Kriegsführung, weil das Militär vor allem Glasfaserverbindungen benutze. Die lassen sich aber im Unterschied zu Satellitenverbindungen nicht elektronisch stören. Im Falle eines Krieges müsse man die Iraker also von den Glasfaserkabeln trennen, die auch die Grundlage des Luftabwehrsystems und der höher angesiedelten Befehls- und Kontrollstrukturen (Command & Control) bilden, während die Kommunikationsverbindungen der taktischen Streitkräfte wie der Panzer konventioneller und daher leichter zu unterbrechen wären. Man müsse die Glasfaserkabel also durch Bomben zerstören, die auf die entsprechenden Knoten gerichtet werden müssen, aber es gebe noch weitere Mittel, über die sich Noonan offensichtlich ausgeschwiegen hatte.

Ansonsten ging es auf der Tagung über andere Infowar-Themen, die beispielsweise auch mit der Informationshoheit in den Medien zu tun haben. So schilderte Admiral Cryer von der Luftwaffe, dass mit dem arabischen Sender al-Dschasira am Beginn des Afghanistan-Krieges die Taliban und al-Qaida zunächst den Informationskrieg zu gewinnen scheinen. Offenbar scheint er dem Abwurf von Flugblättern, wie dies in Afghanistan gemacht wurde und jetzt auch in Irak geschieht, als PSYOPS-Strategie große Effektivität zuzuschreiben. Streubomben würden, so Cryer, hier eine neue, nicht mehr tödliche, sondern schlicht informationsdistribuierende Rolle erhalten. Vielleicht gehen die Informationskrieger der Luftwaffe von Bomben dann bald auf Flugblätter über, was zumindest die Kollateralschäden - und die Kosten - entschieden reduzieren würde.

Die Luftwaffe, die schon allein deswegen, weil sie oben ist, Informationsüberlegenheit genießt und verteidigt, denkt natürlich noch weiter, unter anderem an eine neue Einheit. Die hat auch schon einen Namen, nämlich "Influence Operator" und soll, wie der Name schon sagt, für Sicherheit der eigenen Streitkräfte durch Täuschungen sorgen. Noch ist das anscheinend ein Gedankenspiel von Obert Glaze, dem Leiter für Informationskrieg in der Planungsabteilung der Luftwaffe, der moniert, dass "militärische Täuschung" zwar überall praktiziert werde, aber es dafür kaum Erfahrung und noch weniger Ausbildung gäbe. Memetische oder Informationsbomben sind also gefragt, mentale Giftgase, die nicht töten, sondern für eine andere Wahrnehmung und Einstellung sorgen. Wenn dies denn ein wenig harmloser sein würde als die Drogen oder chemische Substanzen, mit denen der russische Geheimdienst wenig immateriell seine mentale Bombe zur Befreiung der Geiseln und Lähmung der Geiselnehmer ausstattete, könnte auch hier Hoffnung aufkommen. Doch was wäre schon ein Krieg - und eine Rüstungsindustrie -, wenn man nur Medien und Informationen gegeneinander antreten ließe? Vielleicht ein bisschen wie die Wissenschaft, in der vielleicht nicht die reine Wahrheit, wohl aber das Überzeugendere - vorläufig - gewinnt. Aber das ist wohl mit Informationskrieg nicht gemeint.

Quelle: Telepolis

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