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Mittwoch, 15.05.2024
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Geographische Informationssysteme entwachsen den Kinderschuhen. Aktuelle Studien stellen dem Geoinformationsmarkt ein exzellentes Zeugnis aus: Das Marktsegment gilt als innovationsträchtig und Fachleute bescheinigen ihm ein hohes Entwicklungspotenzial. Doch obwohl immer mehr Branchen auf Geodaten zurückgreifen wollen, stehen ihnen immer noch etliche Hürden im Weg. Nicht nur für Christopher Columbus´ Irrfahrt über den Ozean war das Wörtchen "Wo" von weitreichender Bedeutung. Heute wie damals gilt, dass der Raum, in dem etwas geschieht, für viele Entscheidungen maßgeblich ist. "80 Prozent aller Entscheidungen in Wirtschaft und Politik haben einen starken Raumbezug", erklärt Lisa Kneipp von der GIS-Fachzeitschrift Geobit. Mit wachsenden Ansprüchen an die Genauigkeit von Aussagen und technologischen Fortschritten nimmt die Nachfrage nach Geodaten enorm zu.

Egal ob Pollenflugvorhersage, Messwerte zur Luftverschmutzung, Grenzen von Naturparks und Wahlbezirken oder in der Verbrechensbekämpfung - Geodaten sind fast überall im Einsatz. Und auch im privatwirtschaftlichen Umfeld greifen besonders die Banken-, Versicherungs- und Immobilienbranche, aber auch die Tourismuswirtschaft immer mehr darauf zurück. Wie hoch ist die Bonität eines Kreditnehmers? Wie groß das Überschwemmungsrisiko eines Gebäudes in Flussnähe? Oder noch einfacher: Wie finde ich den Weg von A nach B? Hinter all diesen Fragen stecken Geodaten.

Die GIS-Technologie, in ihren Anfängen absolutes Spezialistenwerkzeug, um etwa in Energieversorgungsunternehmen oder in Verwaltungen Daten zu sammeln, analysieren und darzustellen, verlässt ihren Elfenbeinturm. Martin Fornefeld, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Micus in Düsseldorf, erwartet allein für das Geschäft mit Geodaten in Deutschland ein Potenzial von rund acht Milliarden Euro. Noch, so betont er, seien aber erst rund 15 Prozent des Schatzes geborgen. "Angebot und Lösungsnachfragen gehen zu weit auseinander." Im internationalen Vergleich liegt Deutschland nach Fornefelds Aussagen bei der Bergung seiner Geoinformationen auf den hinteren Rängen.

Doch die Aufholjagd hat begonnen. Waren die Softwareprodukte der verschiedenen Hersteller lange nicht miteinander kompatibel, sorgen nun die Standards des Open GIS Consortiums (OGC) für eine bessere Austauschbarkeit der Datenformate. Und auch politisch wird die Bedeutung von Raumdaten als Entscheidungshilfe erkannt. Zahlreiche Initiativen des Bundes und der Länder in Richtung E-Government kommen der Verbreitung von Geodaten zugute. So kann etwa die Internet-Initiative D21 auf einen eigenen Arbeitskreis Geoinformationswirtschaft blicken, der die optimierte Bereitstellung von Geodaten zum Ziel hat. Institutionen mit komplizierten Namen wie dem Innerministeriellen Ausschuss für Geoinformationswesen (IMAGI) oder die aktuell beim Bundeswirtschaftsministerium ins Leben gerufene Kommission für Geoinformationswirtschaft (GIW-Kommission) verfolgen eben dieses Ziel: Geodaten transparent und einfacher verfügbar und nutzbar zu machen, als das bislang der Fall ist.

Wichtigster Punkt: Zwischen den Verwaltungen, die die Daten erheben und pflegen, und den Anwendern aus Privatwirtschaft und Behörden müssen Brücken geschlagen werden. Die Cegi GmbH, das Center für Geoinformation, setzt sich für diesen Austausch ein. Zur Zeit leitet das Cegi ein deutschlandweit Trend setzendes Projekt. Bei dem Aufbau der Geodateninfrastruktur NRW (GDI NRW) arbeiten über 30 Institutionen und Unternehmen an der Realisierung von "Web Map Services", also der Software unabhängigen Bereitstellung von Raumdaten über das Internet. "So werden etwa Bottrop und Recklinghausen online ihre Flächennutzungspläne austauschen können", erklärt Oliver Maus, Bereichsleiter beim Cegi. Das erspart jede Art von Weg zwischen den Behörden und somit bares Geld. Aber auch für Endkundenanwendungen werden die offenen Standards schon bald zusätzlichen Nutzen bringen. Der Telekommunikationsmarkt investiert derzeit kräftig in Geodaten. Mobile Dienste, wie etwa Auskünfte über die besten Busverbindungen zum anvisierten Hotel, werden damit zukünftig zur Selbstverständlichkeit.

Petra Köhler, Geschäftsführerin des Deutschen Dachverbandes für Geoinformation (DDGI), weist auf einen weiteren, existenziellen Einsatzbereich von Geodaten hin: "Im Katastrophenmanagement zählt jede Sekunde. Nur, wenn Informationen über das Einsatzgebiet bereit stehen, können Hilfsmaßnahmen sinnvoll und schnell koordiniert werden."

Vom Fußgängerinformationssystem mit Location Based Services (LBS) bis zum Flottenmanagement von Speditionen - ohne Rauminformationen keine Fundstellen. Einsatzgebiete für Geodaten gibt es reichlich, der Markt erwacht.

Links zum Thema:

Quelle: Die Zeit, 27.05.2004

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