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Donnerstag, 1.05.2025
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Endlich verschwindet der blaue Bildschirm, die Kamera schwenkt auf ein Ortswappen, dann auf Jürgen Spahl, den Bürgermeister der mittelfränkischen 7000-Seelen-Gemeinde Rednitzhembach. Langsam greift der bärtige Kommunalpolitiker zum Mikrofon. Er weiß, dass in diesem Augenblick sein Konterfei im weltweiten Internet zu empfangen ist. Das Gemeindeoberhaupt gab am gestrigen Donnerstag den Startschuss für ein ungewöhnliches Projekt: Der Ort Rednitzhembach übertrug am Abend als erste bayerische Gemeinde seine Gemeinderatssitzung ins Internet. "Bei uns wird immer lebhaft diskutiert, aber das hat bisher kein Mensch gemerkt", erklärt Spahl. Meistens kämen nur 10 bis 15 Zuschauer zu den Sitzungen in den großen Saal des Gemeindezentrums. "Mit den Internet-Übertragungen wollen wir eine breitere Öffentlichkeit erreichen." Jeder könne die Punkte der Tagesordnung verfolgen, die ihn interessierten, und die Sitzung per Mausklick jederzeit unbemerkt verlassen. Bei einem ersten Testlauf Ende Juli waren schon 321 Surfer live im Gemeindeparlament von Rednitzhembach dabei. Am Donnerstag waren es 542.

Vom Bau einer Tiefgarage vor dem Gemeindezentrum über die Beschränkung ruhestörender Haus- und Gartenarbeiten bis hin zur Errichtung eines Lärmschutzwalles -- solche und andere kommunale Anliegen kamen dabei für rund eineinhalb Stunden zur Sprache. Der Surfer konnte bequem von zu Hause aus den Ausführungen des Bürgermeisters lauschen oder die Wortmeldungen der einzelnen Fraktionsmitglieder verfolgen.

Mit einer Zeitverzögerung von etwa einer Sekunde kamen Bild und Ton am heimischen PC an -- zumindest mit der nötigen technischen Ausstattung. Ohne die aktuelle Version des geforderten Abspielprogrammes erreichte den Surfer leider nur ein Stummfilm. Modembenutzer hatten bei niedrigen Übertragungsraten schon einmal eine Mondlandschaft vor Augen. Auch mit einem ISDN-Anschluss waren die mit zwei Webcams aufgenommenen Bilder nicht immer klar und synchron zum Ton, aber alle Gemeinderatsmitglieder waren auf dem Monitor eindeutig zu erkennen. Den Augen der Online-Teilnehmer entging keine Bewegung und kein Husten der Gefilmten.

Das ehrenamtliche Gemeinderatsmitglied Wieland Zürner hat sich von den beiden Kameras nicht aus dem Konzept bringen lassen. "Ich habe sie einfach ignoriert und mich ganz normal verhalten", erläutert Zürner. Die weiblichen Kolleginnen hätten aber scherzhaft einen Kleidungszuschuss gefordert. Zürner steht hinter der Idee des Bürgermeisters, wichtige Sitzungen regelmäßig zu übertragen: "Wir haben nichts zu verbergen. Jeder soll sehen, was wir mauscheln und wie wir mauscheln."

Zwei Webcams, ein Computer und vier ISDN-Kanäle waren nötig, um die Debatten aus Rednitzhembach ins weltweite Computer-Netzwerk einzuspeisen. Gestellt werde die technische Ausrüstung von der Firma, die auch das Computersystem der Gemeindeverwaltung betreue, erläuterte die Internetbeauftragte von Rednitzhembach, Hildegard Löffler. Die Kosten von 500 Euro für die Übertragung der Sitzung habe ein Sponsor übernommen. Auch für die Zukunft plant die Gemeinde weitere Online-Sitzungen, mit der dann auch in Sidney und Los Angeles die Debatte über die neue Rednitzhembacher Friedhofsordnung zu verfolgen sein wird.

Quelle: Heise online

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