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Sonntag, 9.06.2024
eGovernment Forschung seit 2001 | eGovernment Research since 2001
Graham Taylor macht Lobbying für Open Standards und Open Source Software - zwei, die wie Socken und Schuhe zusammen gehören. Sein Hauptargument bei Regierung und Wirtschaft lautet jedoch: "Es reicht, Geld für Softwareentwicklung ein Mal auszugeben." Wer steckt hinter "Open Forum Europe"? Wir sind eine unabhängige Non-Profitorganisation, die Marktbedingungen und Chancen in der Wirtschaft im Bezug auf Open Source Software erforscht, weil wir hier einen Bedarf gesehen haben. Unsere Mitglieder stammen sowohl aus der User-Community als auch aus der Hersteller-Community, darunter etwa IBM, HP, Sun, Red Hat, Suse und Computer Associates.

Ihre Organisation beschäftigt sich also nicht ausschließlich mit Linux?

Nein, natürlich nicht. Linux kriegt natürlich immer die Headline, aber der Markt ist noch viel weiter, und wir sind auch dafür offen.

Linux wäre ohne den Einstieg der Industrie - etwa durch IBM oder Sun niemals zu einer derart mächtigen Bewegung geworden, die auch Microsoft das Fürchten lehrt - was wohl dem Faktor Marketingpower zuzuschreiben ist. Reihen Sie Ihre Organisation auch in die Reihen der Marktschreier für Linux und Open Source?

Ja, grundsätzlich beschäftigen wir uns mit Marketing. Aber wir wollen gleichzeitig auch einen konstruktiven Diskussionsprozess anregen, und nicht einfach behaupten, Linux sei toll und jeder müsse es haben. Wir wollen den Leuten viel mehr zeigen, wie und wo man es einsetzen kann - wir wollen best practice Beispiele aufzeigen und publizieren. Und auf der anderen Seite gehen wir der Frage nach - wenn etwas nicht funktioniert, warum es denn nicht funktioniert hat.

Doch was die Leute brauchen, ist Vertrauen, denn dies ist ein anderes Businessmodell. Daher haben sich auch unsere Umfragen und Researches bewährt, denn das war das erste Mal, dass jemand die Perceptions - also was die Leute darüber denken, erforscht hat.

Apropos Studien: Bei den TCO-Studien kommt es offensichtlich darauf an, wer sie beauftragt, denn wenn man bei Microsoft anfragt, liefern die ebensoviele Gegenbeweise, dass Open Source Software im TCO-Vergleich schlechter abschneidet...

Ja, die weisen oft auf IDC-Studien hin. Ich sage dann: Ja, aber erstens - war das in diesem Gebiet, in jenem bestimmten Sektor und ist daher nur bedingt für alle Branchen aussagekräftig. Und oft kommt man drauf, dass die Zahlen, die der selbe Analyst vor nichtmal 12 Monaten ermittelt hat das Gegenteil besagen...

Was ich damit sagen will ist: Womit die Leute wirklich was anfangen können, sind praktische Beispiele anhand von Case-Studies, wo User von ihren Erfahrungen erzählen. Denn es ist sehr schwierig, 100-prozentige Objektivität zu erzielen. Wir versuchen uns deshalb ein Bild zu machen - aus diesen Beispielen.

Total Cost of Ownership-Studien können unglaublich ins Detail gehen, nur sehr wenige Firmen betreiben derart minutiöse Erhebungen, die alle Faktoren subsummieren, nämlich Preise für Hard- und Software, Dienstleistungen, Wartungen, Änderungen und Updates der Software. Sie können nun daraus einen komplexen Allgorithmus erstellen, unter dem sich die meisten Leute aber kaum was vorstellen können. Aber was man tun kann, ist Beispiele zu geben, anstatt mit Zahlen von Gartner oder IDC zu jonglieren - denn es wird immer versucht, irgendeine Company in gutem Licht darzustellen.

Wir sind unabhängig und versuchen, Cost Benefits darzustellen. Oft werden uns zwar vertrauliche Zahlen von Unternehmen übermittelt, die wir aber nicht öffentlich zitieren dürfen, und aus dem Grund machen wir Case Studies.

Wieso nennen Sie eigentlich Open Source und Open Standards in einem Atemzug, das sind doch verschiedene Paar Schuhe?

Das ist wie mit Socken in den Schuhen. Wenn du nicht an Open Standards glaubst und offene Interoperabilität, wirst du dich wahrscheinlich nicht für den Kauf von Open Source Software entscheiden. Der erste Benefit, den wir predigen, ist der von Open Standards und der zweite Benefit ist Open Source.

Arbeiten Sie diesbezüglich auch mit Standardisierungsgremien zusammen?

Nein, das tun wir nicht, denn hier gibt es schon genügend Organisationen. Die UK-Regierung arbeitet etwa an dieser Standardisierung, und auch die EU engagiert sich hier.

Die Hauptmotivation diese Organisation zu gründen war, dass wir gesehen haben, dass es im Bereich Open Source einfach zu wenig Serlbstvertrauen gibt.

Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe, warum eine Regierung Open Source einsetzen sollte?

Dafür gibt es zwei Gründe, wobei ich eher sagen würde, dass diese Alternative eher erwogen werden sollten, als dass man Open Source einsetzen muss. Erstens gibt es straighte Businessgründe, warum Regierungen das tun sollten: Weil sie wie jede andere Organisation damit Geld sparen können. Aber da gibt es eine zweite Kathegorie von Gründen, die damit zu tun haben, wofür sie das einsetzen. Das ist der Aspekt der Offenheit, über den wir gerade sprachen. Es geht ums Geld ausgeben für die Softwareentwicklung, für die öffentliche Gelder verwendet werden - das ist Ihr Geld und mein Geld. Und: Es reicht, dieses Geld ein Mal auszugeben, um es dann Jedermann "For Free" zur Verfügung zu stellen.

So viel zu den internen Gründen, aber ich glaube auch, dass die Regierung ein Vorreiter sein kann, um die Wirtschaft zu ermutigen. Und ich glaube, dass es eine der Aufgaben einer Regierung ist, gerade KMUs zu ermutigen. Gerade Open Source bietet hier eine großartige Möglichkeit und Betätigungschancen für kleine Betriebe. Wir setzen uns auch dafür ein, wie man die Industrie dafür generieren kann. Und legen diesbezüglich unser Wort bei der UK-Regierung oder der EU-Kommission ein.

Was sind Ihre Erfahrungen nach einjähriger Aktivität Ihrer Organisation? Wie entwickelt sich die Open Source Bewegung?

Dramatisch. Vor einem Jahr herrschte noch große Skepsis. Das Selbstvertrauen hat sich dermaßen gesteigert, man exponiert sich plötzlich mit diesem Thema - Firmen reden zunehmend offen darüber, wie Sie Open Source für ihr Business anwenden.

Glauben Sie, dass diese Welle so weit überschwappen könnte, dass Microsoft früher oder später gezwungen sein wird, Produkte für Linux-Betriebssystem zu entwickeln?

Darüber würde ich nur "Off the Record" sprechen, aber ich glaube, sie sind in einer Position wo sie ihre Application-Software differenzieren könnten, und nicht mehr alles auf Microsoft-Basis laufen müsste.

Mal abgesehen vom E-Government: Welche Branchen werden sich Ihrer Meinung nach in nächster Zeit diesem Thema zuwenden?

Die nächsten zwei Industrien, die auf diesen Zug aufspringen, sind die Bereiche Financial Services und der Retail-Sektor. Einfach auf grund der Möglichkeiten, neue Geschäftsfelder auf Basis von Open Source schnell entwickeln zu können - bei weitaus geringeren Kosten.

Die deutschen Banken im Speziellen sind hier schon sehr weit - was den Linux-Einsatz betrifft.

Das zweite große Gebiet ist der Retail-Sektor. Da gehts um den Roll Out Shop für Shop - zu möglichst niedrigen Kosten. Die entwickeln eine Vertreibsschiene einmal - daran hängen vielleicht an die hundert Outlets. Und wenn Sie nun an die Software-Lizenzen denken, die Sie dann für unzählige Point-of Sales-Terminals bezahlen müssen...

Quelle: Telekommunikations Report

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