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Freitag, 3.05.2024
eGovernment Forschung seit 2001 | eGovernment Research since 2001
In den vergangenen Jahren hat die öffentliche Verwaltung in Deutschland Fortschritte dabei erzielt, die Potenziale des Internets für sich zu erschließen. Dies gilt zwar noch nicht für alle Ebenen und Dimensionen der Verwaltung, aber eGovernment ist den Kinderschuhen entwachsen. Wie der internationale Vergleich zeigt, reichen die Fortschritte aber nicht für eine insgesamt herausragende Bewertung von eGovernment-Verfahren. Deutschland wird also immer noch auf die Plätze verwiesen.

Einer zügigen Verbreitung von eGovernment stehen vielfältige Hindernisse entgegen: Budgetengpässe, die Herausforderungen des föderalen Systems, die unzureichende Standardisierung und Harmonisierung bei bestehenden Lösungen sowie die bisher noch nicht flächendeckende Verbreitung der elektronischen Signatur. Die Bundesregierung hat mit Deutschland-Online und MEDIA@Komm-Transfer Initiativen der zweiten Generation gestartet, um den bestehenden Herausforderungen in Teilen zu begegnen. Die vorliegende Studie beleuchtet den Umsetzungsstand von eGovernment in Deutschland im Zieljahr einer der bedeutendsten eGovernment-Initiativen: BundOnline 2005. Internationale Entwicklung: Deutschland abgehängt

Der internationale Vergleich zeigt, dass beim Reifegrad von eGovernment eine große Spannweite besteht. Auch wenn man berücksichtigt, dass das Ranking der Länder in verschiedenen Studien stark von den verwendeten Kriterien abhängt, so lässt sich doch eine Spitzengruppe ausmachen: zu dieser zählen Kanada, Singapur, die USA sowie in Europa einige der nordischen Länder. Diese Länder haben bereits einen großen Teil ihrer Verwaltungsdienstleistungen durchgängig online verfügbar gemacht und bieten ein umfassendes Online-Angebot.

Deutschland bewegt sich - in Abhängigkeit von Studie bzw. Kriterium - überwiegend im Mittelfeld, manchmal auch im hinteren Drittel. Einige Arbeiten signalisieren, dass Deutschland im internationalen Ranking nicht vorankommt. So nahm Deutschland in einer Studie von Accenture Anfang 2005 nur Platz 13 ein. Dennoch hat die Service-Reife des deutschen eGovernment Angebotes zugenommen. Und es gibt weitere Lichtblicke: die eEurope-Begleitforschung attestiert Deutschland im Jahr 2004 einen kräftigen Entwicklungssprung, was auf Fortschritte im letzten Jahr schließen lässt. Dies hat allerdings nicht ausgereicht, um Deutschland in eine international führende Position zu bringen. Das ist bedauerlich, denn eGovernment ist ein wichtiger Baustein für die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung und für Bürokratieabbau. Bei Unternehmen lassen sich zum Beispiel vereinfachte Online-Verfahren direkt in Kostenersparnisse übersetzen. eGovernment hat somit Auswirkungen auf die Ertragssituation von Unternehmen und ist ein Standortfaktor. In Deutschland ist es aber trotz aller Fortschritte bisher nicht gelungen, diesen Standortfaktor vollständig zu erschließen.

Besonderer Handlungsbedarf bei den Kommunen

Die angeführten Gründe für Deutschlands Position im Mittelfeld differieren je nach Methodik der Studie. Die auf die Dienstleistungen des Bundes konzentrierte Analyse von Accenture weist z.B. auf Defizite im Bereich des Customer Relationship Management hin (z.B. zentraler Zugang über Behördengrenzen hinweg, Multikanalansatz, Personalisierung). Hier befindet sich Deutschland im internationalen Vergleich auf den letzten Rängen. Im Ranking der eEurope-Begleitforschung erzielt Deutschland Spitzenplätze bei zentralisierten eGovernment-Dienstleistungen (Übermittlung von Daten an statistische Ämter, Beschaffung) bzw. den Dienstleistungen, die mit Einnahmen für den Staat verbunden sind (Zollerklärung, Körperschaftsteuer, Einkommensteuer). Dies spiegelt wider, dass die Bundesregierung, z.B. im Rahmen von BundOnline 2005, einige Dienstleistungen auf Bundesebene bereits erfolgreich transaktionsfähig zur Verfügung gestellt hat. Insbesondere auf kommunaler Ebene besteht aber noch großer Handlungsbedarf: Mit Ausnahme der MEDIA@Komm Städte, in denen im Modellversuch sog. virtuelle Rathäuser entwickelt wurden, bieten nur wenige Städte und Gemeinden fortgeschrittenes eGovernment an. Gerade bei bürgernahen Dienstleistungen wie z.B. dem Meldewesen, Kfz-Zulassungen oder der Beantragung von Geburts- und Heiratsurkunden rangiert Deutschland auf den letzten Plätzen.

Von den Vorreitern lernen!

Die Erfahrungen anderer Länder lassen sich nicht direkt auf Deutschland übertragen - nicht zuletzt wegen differierender föderaler Strukturen und rechtlicher Rahmenbedingungen. Hinzu kommt, dass auch die Erfolgsfaktoren innerhalb der Gruppe der Spitzenreiter voneinander abweichen. Dennoch lassen sich einige Aspekte herausstellen:

  • Refokussierung der Strategie: Die Spitzenländer haben in regelmäßigen Abständen ihre Strategie überprüft und neu ausgerichtet. Sie haben gleichzeitig weitere Mittel für den Ausbau des Angebots und der technischen Infrastruktur bereitgestellt.

  • Benutzerfokus: Bürgerbefragungen und Performance Messungen ermöglichten es, das Angebot bedarfsorientiert weiterzuentwickeln. Eine verständliche Sprache und einfache Navigation sind wichtige Elemente, um die Zufriedenheit der Nutzer zu steigern.

  • Akzeptiertes Portfolio von Transaktionsdienstleistungen: In den meisten der führenden Länder werden die angebotenen (Transaktions-)Dienstleistungen von den Bürgern in hohem Maße genutzt. Diese Länder haben zumeist auch weiter entwickelte Lösungen im Bereich der Authentifizierungsinfrastruktur (z.B. elektronische Signaturen, föderierte Authentifizierungslösungen in den USA, aber auch einfache Identifikationsnummer/Passwort-Kombinationen).

  • Vertikale Verknüpfung: Einstiegsportale sind vertikal verknüpft und nach dem Lebenslagenprinzip bzw. unternehmerischen Fragestellungen klar gegliedert.

Diese vier Faktoren lassen darauf schließen, dass erfolgreiche eGovernment-Strategien nicht nur angebotsseitig agieren, sondern die Bedürfnisse der Bürger und Unternehmen intensiv bei Konzeption und Gestaltung einbeziehen. Darüber hinaus kommt es insbesondere darauf an, Dienstleistungen onlinefähig zu machen, die den Umgang mit der öffentlichen Verwaltung stark erleichtern und vereinfachen (Zeit- und Kostenersparnisse). Hierzu zählen häufig genutzte, kommunale Transaktionsdienstleistungen (z.B. Kfz-Zulassung, Meldewesen, Ausweisdokumente).

BundOnline 2005: Erfolgsbilanz für den Bund

Welche Erfolge hat Deutschland im eGovernment vorzuweisen? In den vergangenen fünf Jahren sind auf allen staatlichen Ebenen eGovernment-Initiativen vorangetrieben worden (1. Generation der eGovernment-Projekte). Die Bundesregierung hat im September 2000 BundOnline 2005 ins Leben gerufen. Diese Initiative steht Ende dieses Jahres vor ihrer Bilanz. Die Zielsetzung, alle internetfähigen Dienstleistungen des Bundes von einer Plattform aus elektronisch erfügbar zu machen, dürfte knapp erreicht werden.

Das geplante Dienstleistungsportfolio wurde in den vergangenen Jahren mehrmals konsolidiert und erweitert, so dass aus den ursprünglich vorgesehenen 376 onlinefähigen Services nach derzeitigem Stand 484 Dienstleistungen geworden sind. Änderungen rechtlicher Rahmenbedingungen, ein erhöhter Informationsbedarf der Nutzer oder veränderte Zielsetzungen in der Zusammenarbeit verschiedener Verwaltungsebenen waren die wesentlichen Gründe für die Aufnahme zahlreicher neuer Online-Dienstleistungen. Positiv ist zu vermerken, dass auch Dienstleistungen z.B. im Rahmen der Geschäftsprozessoptimierung auf ihre Eignung hin überprüft und obsolete Projekte gestrichen worden sind.

Der Fortschritt ist aufgrund der vielfältigen Streichungen und Erweiterungen nicht vollständig transparent. Die Umsetzung ist aber grundsätzlich auf gutem Weg: Mit Stand März 2005 sind 342 Dienstleistungen online verfügbar, so dass die ursprüngliche quantitative Vorgabe fast erreicht ist. Aus dem erweiterten Portfolio verbleiben noch ca. 140 Dienstleistungen, die im letzten Jahr von BundOnline 2005 umzusetzen sind - mehr als in jedem Jahr zuvor realisiert wurden. Zwar wird im Umsetzungsbericht 2004 erwartet, dass das Portfolio termingerecht bereitsteht. Einige Dienstleistungen dürften aber erst nach 2005 online gehen.

Noch dominieren die Informationen

Ungefähr 60% der derzeit realisierten Dienstleistungen auf Bundesebene sind Informationsdienstleistungen (205 von 342). Damit ist der Reifegrad von eGovernment, der u.a. durch den Entwicklungsstand der komplexeren Online-Dienstleistungen bestimmt wird, auch auf Bundesebene noch nicht befriedigend. Er dürfte sich aber im Laufe des Jahres verbessern. Der Entwicklungslinie von der einfacheren Informationsbereitstellung zu den komplexeren Transaktionsdienstleistungen folgend, strebt die Bundesregierung an, dass Ende 2005 ca. die Hälfte der dann onlinefähigen Dienstleistungen transaktionsorientiert ist. Dazu müssen 2005 noch ca. 80 Transaktionsdienstleistungen bereitgestellt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sind erhebliche Anstrengungen notwendig.

Den bereits voll onlinefähigen Dienstleistungen kann - wie die eEurope-Begleitforschung zeigt - ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt werden. Das wohl bekannteste Beispiel für transaktionsorientiertes eGovernment ist die eVergabe-Plattform des Bundes, die als sog. Einer-für-alle-Dienstleistung (EfA) entwickelt wurde und auch von anderen Behörden eingesetzt werden kann. Die Bundesbehörden wollen Aufträge künftig ausschließlich über die Plattform vergeben. Derzeit sind 22 Vergabestellen des Bundes angeschlossen. Das Beispiel der elektronischen Beschaffung zeigt, dass durch eGovernment Effizienzgewinne entstehen können: es ist mit erheblichen Einsparungen bei Prozesskosten und mit niedrigeren Preisen zu rechnen. Bei einem Beschaffungsvolumen des Bundes von jährlich EUR 63 Mrd. für Waren und Dienstleistungen dürfte der öffentliche Haushalt mittelfristig signifikant entlastet werden. Weitere, bereits realisierte eGovernment-Lösungen des Bundes sind z.B. Online-Förderanträge, die Übermittlung von Daten an statistische Ämter, die Online-Zollerklärung oder Online-Anträge für die Vergabe von Bildungskrediten. Damit stehen zahlreiche sinnvolle Lösungen bereit; einige davon sind aber für enge Nutzerkreise konzipiert (z.B. Antrag zur Genehmigung der Ein- und Ausfuhr von geschützten Tier- und Pflanzenarten nach dem Washingtoner Artenschutzabkommen). Große Bedeutung für bürgernahes, breitenwirksames eGovernment haben kommunale Dienstleistungen.

Leuchttürme im kommunalen eGovernment

Auf der Ebene der Kommunen haben sich die MEDIA@Komm Modellversuche als Leuchttürme in der eGovernment-Landschaft entwickelt. Sie wurden vom BMWA im Jahr 2000 initiiert und knüpften an der Vision des "virtuellen Rathauses" an. Insgesamt wurden rund EUR 65 Mio. in den MEDIA@Komm-Städten für eGovernment investiert. Bis 2004 wurden in den drei Modellregionen Bremen, Esslingen und Nürnberg über 300 eGovernment-Dienstleistungen online gestellt. Inhaltliche Schwerpunkte liegen bei kommunalen Dienstleistungen für Bürger und bei eher unternehmensorientierten Dienstleistungen (z.B. Bauwesen, Umweltschutz).

Die MEDIA@Komm-Angebote haben mit Blick auf Konzeption und Umfang der Dienstleistungen positive Resonanz erfahren. So ist beispielsweise das Online-Angebot der Stadt Bremen bereits mehrfach prämiert worden. Die Projekte haben auch gezeigt, dass sich eine Vielzahl von Transaktionsdienstleistungen, die für Bürger und Unternehmen von großem Interesse sind (z.B. Meldewesen), grundsätzlich medienbruchfrei auf kommunaler Ebene realisieren lassen. Allerdings gibt es Einschränkungen in Bezug auf die tatsächliche Nutzung durch die Bürger. Bei einem großen Teil der Dienstleistungen können sich die Anwender mit Hilfe der elektronischen Signatur authentifizieren. Bisher blieb die Marktdurchdringung bei den Signaturkarten jedoch deutlich hinter den Erwartungen zurück, so dass nahtloses eGovernment faktisch nur für einen kleinen Kreis der Bürger, wohl aber für eine etwas größere Zahl von Unternehmen und Freiberuflern Realität geworden ist. Insbesondere für sog. Power User (z.B. Anwälte, Notare, Kfz-Händler, Architekten), die häufig mit der öffentlichen Verwaltung in Kontakt treten, ist nahtloses eGovernment interessant und der Erwerb einer Signaturinfrastruktur lohnenswert. Dies zeigt das Beispiel des gerichtlichen Mahnwesens, für das eine elektronische Signatur benötigt wird. Im Jahr 2004 wurden bereits 15% aller Anträge auf Erlass eines Mahnbescheids im Online-Verfahren an die Gerichte übermittelt. Unternehmen, die häufig eine große Zahl von Dokumenten auf elektronischem Wege senden oder empfangen (Belege, Rechnungen), würden auch von der Einführung elektronischer Siegel profitieren. Das Siegel garantiert dabei Inhalt und Herkunft in automatisierten Prozessen.

Strategie oft noch gesucht

Über diese "Leuchttürme" hinaus bestehen beim kommunalen eGovernment in Deutschland allerdings vielfach Planungs- und Umsetzungsdefizite - auch wenn die Bedeutung von eGovernment zunehmend erkannt wird. Informations- und Interaktionsangebote sind zwar in den meisten Kommunen vorhanden, finanzielle Engpässe und mangelnde IT Kompetenz erschweren jedoch weitere Fortschritte im Hinblick auf transaktionsorientiertes eGovernment. Zu den wesentlichen Schwierigkeiten in den Kommunen, aber auch anderen Verwaltungsebenen, zählen:

  • Fehlende Strategie: Erst 58% der befragten Verwaltungen aller Ebenen hatten im Jahr 2004 ein Konzept zur Verwaltungsreform (47% in 2003); lediglich 48% verfügten über eine eGovernment-Strategie. Dabei sind vor allem Landkreise und Kommunen im Rückstand (31 bzw. 41%).

  • Ressourcenengpässe: 80% der Befragten betrachten die aktuelle finanzielle Lage der öffentlichen Haushalte als ein Umsetzungshemmnis für eGovernment. Obwohl sich die Lage im Vergleich zum Vorjahr leicht entspannt hat, gaben bei der konkreten Frage nach den Ressourcen 84% an, dass die Finanzmittel unzureichend bzw. verbesserungswürdig seien. Personalressourcen und Mitarbeiterqualifikation wurden ebenfalls als nicht ausreichend angesehen.

  • Eingeschränkte Interoperabilität: Auch mit Blick auf die verwendeten Standards und Technologien ist die kommunale eGovernment-Landschaft ein Flickenteppich. Systemvielfalt und komplexe technologische Anforderungen sind Schwierigkeiten, mit denen die Verantwortlichen zu kämpfen haben.

  • Mangelnde vertikale Kooperation: Grundsätzlich besteht eine hohe Bereitschaft, bei der Umsetzung von eGovernment-Lösungen zu kooperieren und Best Practice-Lösungen zu verwenden. Allerdings findet Kooperation zumeist innerhalb der eigenen Verwaltungsebene statt (zwischen Landesverwaltungen (100%), interkommunal (80%), Bundesebene (78%)). Die vertikale Zusammenarbeit zwischen Kommunalverwaltungen auf der einen Seite und Landes- bzw. Bundesverwaltungen auf der anderen Seite ist bisher wenig ausgeprägt (27 bzw. 7%). Dies zeigt, dass aufgrund der föderalen Strukturen in Deutschland der Abstimmungsaufwand zwischen den Gebietskörperschaften relativ hoch ist.

Diese Probleme verhindern einerseits, dass eGovernment in der Fläche zügig Realität wird, indem z.B. erfolgreiche MEDIA@Komm-Lösungen von anderen Kommunen adaptiert werden. Andererseits behindern sie die vertikale Verknüpfung von eGovernment-Lösungen, die aus Sicht des Nutzers echten Mehrwert schafft. Einige dieser Schwierigkeiten werden durch die Nachfolgeinitiativen der Bundesregierung adressiert.

Kosten- und Nutzen schwer zu bilanzieren

Die finanziellen Restriktionen dürften allerdings mittelfristig bestehen bleiben und vor allem der Entwicklung des kommunalen eGovernment enge Grenzen setzen. Denn eGovernment erfordert nicht nur erhebliche Anfangsinvestitionen, sondern verursacht auch Folgekosten, die z.B. für die Pflege des Angebots und die Schulung der Mitarbeiter anfallen. Daher unterbleiben häufig die notwendigen Investitionen. Allerdings zeigt die Empirie, dass sich Investitionen in eGovernment zumeist bereits auf kurze Frist rechnen und damit mittelfristig selbst zur Entlastung des Haushalts beitragen können. Auch die meisten Entscheider erwarten relativ kurze Amortisationszeiträume. Nach Angaben der Bundesregierung dürften in BundOnline 2005 insgesamt EUR 1,4-1,6 Mrd. (2001-05) investiert werden. Dem stehen geschätzte jährliche Einsparungen von ca. EUR 300-400 Mio. gegenüber, so dass sich die Investitionskosten rechnerisch in etwa 4 Jahren amortisiert haben werden. Ein ähnliches Bild bestätigt sich bereits für einzelne BundOnline-Vorhaben. Der Bundesrechnungshof prüft die Projekte derzeit.

Eine vollständige Kosten-Nutzen-Analyse der eGovernment-Projekte wird allerdings erst mittelfristig möglich sein, wenn die Angebote insgesamt breitere Akzeptanz erfahren haben und die Verwaltung ihre Prozesse angepasst hat. Die größten Effizienzgewinne durch eGovernment ergeben sich in der Verwaltung selbst, da sie von der gebündelten elektronischen Bearbeitung der Anliegen ihrer "Kunden" besonders profitiert - vorausgesetzt, die Prozesse sind bereits vollständig elektronisiert. Aber auch Bürger und Unternehmen haben Vorteile, z.B. in Form von kürzeren Bearbeitungszeiten oder höherer Transparenz. Allerdings lassen sich nicht alle Vorteile des eGovernment quantifizieren: Werden neue Dienstleistungen oder mehr Informationen bereitgestellt, so lässt sich der Nutzen für die Bürger nur schwer monetär messen. Auch wenn ein positiver Zusatznutzen oder Effizienzsteigerungen in der Wirtschaft für eGovernment sprechen, so ist eine klare Kosten-Nutzen-Analyse auf Seiten der öffentlichen Verwaltung unerlässlich. Dies gilt nicht nur ex post, um zu überprüfen, ob knappe Haushaltsmittel sinnvoll verwendet wurden. Sie ist insbesondere ex ante notwendig, damit Entscheider bei knappen Budgets Projekte sinnvoll priorisieren können. Umso besorgniserregender ist es, dass ein großer Teil der Verwaltungen keine systematische Erfolgskontrolle der eingesetzten knappen Mittel betreibt. Lediglich 5% der Behörden ermitteln den Return on Investment ihrer Projekte und nur 28% der Verwaltungen haben konkrete Einsparziele definiert, bei den Kommunen sogar nur 23%.

eGovernment noch zu wenig genutzt

Die 2. Generation

Neuorientierung hat stattgefunden

Inzwischen ist in Deutschland bereits die zweite Generation der eGovernment-Initiativen ausgerufen worden: Deutschland-Online und MEDIA@Komm-Transfer. Welche der identifizierten Ansatzpunkte für eine Weiterentwicklung von eGovernment in Deutschland nehmen die neuen Initiativen auf? Der Beschluss der Regierungschefs von Bund und Ländern am 26. Juni 2003 schafft die Grundlage für Deutschland-Online. Diese Initiative bildet die vertikale Klammer im eGovernment und ist angetreten, um die verschiedenen kommunalen Initiativen, die Strategien der 16 Bundesländer und des Bundes zu verbinden und die Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen im eGovernment über Verwaltungsebenen hinweg zu verstärken. Nach dem Prinzip "Einige-für-alle" sollen von den federführenden Gebietskörperschaften Modelllösungen erarbeitet werden, die von den Partnern genutzt werden können. Einzelne Gebietskörperschaften übernehmen bei den jeweiligen Vorhaben die Verantwortung und sollen das Projekt in Kooperation mit Partnern zu einer marktreifen Lösung entwickeln. Das sehr ehrgeizige Ziel ist es, bis 2008 alle geeigneten Dienstleistungen von Bund, Ländern und Kommunen online verfügbar zu machen. Die Initiative beinhaltet fünf Säulen:

  1. Aufbau eines Dienstleistungs-Portfolios: Ein Portfolio ebenenübergreifender Verwaltungsdienstleistungen soll bis Ende 2008 online sein. Die Modelllösungen sollen für weitere Projekte auf allen Verwaltungsebenen maßgeblich sein. Ausgewählt wurden Dienstleistungen, die eine hohe Nutzungsintensität bei den Bürgern bzw. einen großen Beitrag zum Bürokratieabbau bei Unternehmen oder hohe Effizienzgewinne in der Verwaltung erwarten lassen.

  2. Harmonisierung und Vernetzung der Verwaltungsportale: Es wird geschätzt, dass in Deutschland mehr als 7000 Sites und Portale aller Verwaltungsebenen existieren, die inhaltlich und strukturell kaum standardisiert sind. Die bestehenden Portale sollen besser vernetzt werden. Voraussetzung dafür ist u. a. die Definition von Standards zum Austausch von Portaldaten und der Aufbau eines zentralen Zuständigkeitsfinders, damit Bürger ihr Anliegen über Verwaltungsgrenzen hinweg leichter verfolgen können.

  3. Infrastrukturen: Die Gebietskörperschaften werden den Ausbau von Infrastrukturen gemeinsam vorantreiben, um den verwaltungsinternen Datenaustausch zu erleichtern. Dabei sollen Clearingstellen Medienbrüche heilen und inkompatible Datenformate bei der Kommunikation von Behörden untereinander "übersetzen". Ein weiteres Vorhaben ist die Einführung von Signaturkarten über das Signaturbündnis.

  4. Definition gemeinsamer Standards und Daten-/Prozessmodelle: Allein im Meldewesen bestanden in Deutschland neun verschiedene Datenformate, die ein Hindernis für einen bundesweiten Datenaustausch darstellten. Daher soll z.B. ein standardisiertes Format definiert werden, um den Datenaustausch im Arbeits- und Sozialwesen zu erleichtern.

  5. eGovernment-Koordination und -Transfer: Bund, Länder und Gemeinden haben es sich zum Ziel gesetzt, die Koordination bei eGovernment-Projekten zu verbessern. Dazu zählt auch MEDIA@Komm-Transfer.

MEDIA@Komm-Transfer: Wege in die Fläche

MEDIA@Komm-Transfer versucht den "objektiven Restriktionen" entgegenzuwirken, die die Ausbreitung von eGovernment bei den Kommunen behindern. Dazu zählen der bereits erwähnte hohe Abstimmungsaufwand im föderalen System sowie die eingeschränkte Interoperabilität von Anwendungen. Das BMWA hat MEDIA@Komm-Transfer nach den positiven Erfahrungen in den MEDIA@Komm-Städten im März 2004 als Nachfolgeprojekt initiiert. Es verfolgt das Ziel, die horizontale Ausbreitung und Vernetzung von kommunalem eGovernment zu fördern. Insbesondere sollen medienbruchfreie elektronische Transaktionen flächendeckend in der öffentlichen Verwaltung eingeführt und so die Kommunalverwaltungen modernisiert werden.

Insgesamt 20 sog. MEDIA@Komm-Transferkommunen übernehmen die Funktion von sog. eGovernment-Entwicklungs- und Diffusionskernen, in denen Modelllösungen für andere Kommunen und Länder entwickelt werden. MEDIA@Komm-Transfer hat sich die drei Ziele Standardisierung, Multiplikation und Internationalisierung gesetzt. Im Feld der Standardisierung sollen parallel entwickelte Lösungen verknüpft und Workflows vereinheitlicht werden. So soll ein interoperables eGovernment-Netzwerk entstehen. Ebenso wie in Deutschland-Online werden nach dem Prinzip "Einige-für-alle" übertragbare Best Practice-Lösungen entwickelt. Dies betrifft die Bereiche eGovernment-Komponenten (z.B. eProcurement), Portale (z.B. Content Management-System), Fachverfahren (z.B. Meldewesen), verwaltungsinterne Dienste (z.B. Reporting) und Bürgerpartizipation. Darüber hinaus soll durch interkommunale Zusammenarbeit die Entwicklung und Ausbreitung von eGovernment-Verfahren gefördert werden (Multiplikation). So arbeiten bei fast allen Vorhaben mehrere Transferkommunen zusammen. Es werden darüber hinaus verschiedene Netzwerke, so z.B. zwischen den Transferkommunen oder im regionalen Umfeld der Transferkommune, etabliert, um den Know how-Transfer zu erleichtern. Perspektivisch sollen standardisierte eGovernment-Verfahren aus den Transferkommunen an die Empfängerkommunen im jeweiligen regionalen Umfeld übertragen werden (Know how- und Best Practice-Transfer).

2. Generation: wichtige Defizite unter der Lupe

Wie sind die Initiativen der 2. Generation zu bewerten? Deutschland Online und MEDIA@Komm-Transfer nehmen sich einiger der wichtigsten Defizite im eGovernment an und dürften Deutschland dem Ideal des transaktionsorientierten eGovernment ein gutes Stück näher bringen. Das Dienstleistungsportfolio von Deutschland-Online beinhaltet eine sinnvolle - allerdings längst überfällige - Auswahl von Modelllösungen. Denn wie die eEurope-Begleitforschung zeigt, besteht gerade im Bereich der für den Bürger attraktiven Transaktionsdienstleistungen (Kfz-Zulassung, Baugenehmigung, persönliche Dokumente) eindeutig Nachholbedarf. Auch die angestrebte stärkere Vernetzung der Verwaltungsportale ist für den Bürger hilfreich und dürfte zu einer besseren Akzeptanz von eGovernment beitragen.

Positiv ist weiterhin zu bewerten, dass die Koordination zwischen den föderalen Ebenen und der Aufbau interoperabler Systeme oben auf der Agenda von Deutschland-Online stehen. So wird z.B. ein bundesweit gültiges Datenaustauschformat für die elektronische Abwicklung der Geschäftsprozesse im Personenstandswesen entwickelt. Damit soll auch eine Novellierung des Personenstandsrechts einhergehen. Dabei sind über föderale Grenzen hinweg komplexe rechtliche, technische und organisatorische Fragestellungen zu lösen. Dies bleibt eine der größten Herausforderungen für eGovernment in Deutschland, ist aber auch eine wichtige Chance für eine nachhaltige Verwaltungsmodernisierung.

MEDIA@Komm-Transfer ist ein grundsätzlich positiver Ansatz, um kommunales eGovernment voranzubringen. Dies ist allerdings auch überfällig, denn viele Kommunen kommen immer noch über den Status eines reinen Informationsportals nicht hinaus. Offen ist allerdings, ob die Ausbreitung in die Fläche tatsächlich gelingt. Denn die Frage, ob Expertenwissen von den Transferkommunen an die Kommunen im regionalen Umfeld erfolgreich weitergegeben wird, hängt nicht nur von der grundsätzlichen Kooperationsbereitschaft aller Beteiligten, sondern auch von den finanziellen Ressourcen in den Empfängerkommunen ab. Der Best Practice-Ansatz im Zuge der "Einige-für-alle" Strategie und die vom Bund entwickelten Basiskomponenten können helfen, das Finanzierungsproblem zu lindern, da die Kommunen Entwicklungskosten einsparen. Dennoch verbleiben Kosten z.B. für die Reorganisation der Prozesse, die die Kommunen schultern müssen.

Wir wollen an die Spitze - andere auch!

Die eGovernment-Initiativen in Deutschland sind auf dem richtigen Weg. Die abgeschlossenen Projekte der 1. Generation dürfen weitgehend als erfolgreich bezeichnet werden. Sie haben allerdings insbesondere auf kommunaler Ebene den Charakter von Leuchttürmen und haben bisher nicht zu einem flächendeckenden, bürgernahen eGovernment geführt. Auch zeigt der internationale Vergleich, dass die Initiativen zu langsam umgesetzt worden sind, um Deutschland als einen Vorreiter im eGovernment zu positionieren. Der Standortvorteil, der aus der Modernisierung des öffentlichen Sektors resultiert, wird also bis heute nicht voll genutzt.

eGovernment in Deutschland steht heute vor den folgenden Aufgaben:

  1. Ausbau des Angebotes an Transaktionsdienstleistungen mit hoher Nutzungsfrequenz,
  2. Verbesserung der Akzeptanz,
  3. Förderung der Zusammenarbeit und Koordination zwischen den Gebietskörperschaften, um föderale Hürden zu überwinden,
  4. Aufbau von interoperablen Lösungen,
  5. konsequente Umgestaltung des Back-Office und
  6. zielgerichtete Steuerung sehr knapper personeller und finanzieller Ressourcen mit Hilfe von Performance Management-Systemen.
  7. Für zahlreiche Gebietskörperschaften, die noch am Anfang von eGovernment stehen, kommt es darauf an, eine klare Strategie zu formulieren und diese in die Gesamtstrategie zur Verwaltungsmodernisierung einzubetten.
  8. Schließlich ist es von großer Bedeutung, den Ausbau und Einsatz einer vertrauenswürdigen, interoperablen und vielfach einsetzbaren Authentifizierungslösung voranzutreiben.

Die Initiativen der 2. Generation greifen einige der Schwachstellen auf, die einen Entwicklungssprung in Deutschland bisher verhinderten. Insbesondere die Themen Koordination, technische Standards und Interoperabilität, transaktionsorientierte Dienstleistungen, Benutzerfokus und Authentifizierungsinfrastruktur stehen hoch auf der Prioritätenliste ((1)-(4) und (8)). Kooperationen mit der Privatwirtschaft, wie das Signaturbündnis, erleichtern die Umsetzung. Eines der größten Risiken liegt aber in den äußerst begrenzten und nicht zielgerichtet eingesetzten Ressourcen (7). Diese Restriktionen dürften Fortschritte bei den wichtigen Punkten Transaktionsdienstleistungen und Ausbreitung in der Fläche behindern. Auch könnte eine vor diesem Hintergrund unzureichende oder ausbleibende Umgestaltung der Verwaltungsprozesse die potenziellen Effizienzgewinne durch eGovernment deutlich schmälern (5). Schließlich müssen die Verantwortlichen daran arbeiten, die Akzeptanz von eGovernment bei Bürgern und Unternehmen zu erhöhen (2). Dazu gehört, eGovernment durch Öffentlichkeitsarbeit bekannter zu machen und die Sicherheitsbedenken der Bürger zu adressieren. Denn nur so werden die umfangreichen Anstrengungen zur Verbesserung des Online-Angebotes im Rahmen der ehrgeizigen Initiativen Deutschland-Online und MEDIA@Komm-Transfer auf fruchtbaren Boden fallen.

Autor: Antje Stobbe

Quelle: Deutsche Bank Research, 12.05.2005

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